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"Kruso" im Theater Der geistige König der Insel

Das Theater Magdeburg inszeniert „Kruso“. Mit Raphael Kübler, der die Titelrolle spielt, sprach Grit Warnat.

15.09.2015, 23:01

Cornelia Crombholz‘ Regiearbeit für „Spur der Steine“ am Magdeburger Schauspielhaus war sehr erfolgreich. Jetzt inszeniert die Schauspielchefin „Kruso“. Sie sind neu am Theater, haben gleich die Titelrolle. Wie groß ist die Herausforderung?

Raphael Kübler: Ich wachse immer mehr rein in die Rolle, sie entsteht beim Proben, muss erarbeitet werden. Im Buch wird Kruso als stiller Held beschrieben. Kruso ist Anführer auf einer inneren Ebene, er begeistert durch ein innerliches Leuchten. Die anderen sind beeindruckt von seiner ihm eigenen Konsequenz. Sie folgen nicht einem Feldherren, sondern einem beispielgebenden König. Er ist sozusagen der geistige König der Insel. Aber wie soll diese Figur aussehen? Dafür müssen wir Bilder finden.

Wie beschreiben Sie die Figur Kruso?

Weil Krusos Mutter gestorben ist, übernimmt die Schwester die mütterliche Funktion. Beide sind auf Hiddensee, bauen Sandburgen, da sagt die Schwester: Warte auf mich. Der kleine Bruder hält sich daran. Sie kommt aber nie wieder. Der mögliche Fluchtversuch der Schwester endete mit dem Tod. Dieses Postenhalten, das Warten auf die Schwester wird ein Trauma. Und es wird Krusos Lebensthema. Man muss das wissen, um zu verstehen, warum er die Menschen, die über Hiddensee nach Dänemark wollen, von ihrem Plan abhalten will. Er entwirft eine Welt, um zu seiner inneren Freiheit zu finden. Kruso sagt: Du musst nicht das Land verlassen, du musst zu deinen eigenen Wurzeln finden. Das zieht er sehr engagiert durch.

Finden Sie, dass innere Freiheit ausreicht?

Man konnte nicht zu jemandem, der in Hohenschönhausen saß, sagen, finde deine innere Freiheit und krieg in der Zelle ein Lächeln auf deine Lippen. Ich kann auch zu den Flüchtlingen, die nach Europa kommen, nicht sagen, findet doch einfach eine andere Einstellung.

Sie wurden 1981 in Stuttgart geboren. Sie haben nicht in der DDR gelebt. Können Sie Sehnsucht nach Freiheit nachvollziehen?

Ich bin im Westen aufgewachsen, okay, aber ich bin ein geschichtlich interessierter Mensch. Die DDR hat mich schon als junger Mensch inter-essiert. Ich wollte wissen, wie man dort gelebt hat, was dort so anders war. Als ich zum Studium nach Berlin ging, wollte ich auch nicht in West-Berlin leben. Ich habe in Schöneweide gewohnt und ging oft auf Spurensuche. Ich habe die Leute gelöchert, weil ich alles wissen wollte.

Der „Kruso“-Stoff hat eine gewisse Schwere. Wie wird das Stück?

Ein starkes Ensemblestück ohne Schwere, aber mit Humor. Und es wird mit dem Blick auf Sehnsüchte und Hoffnungen von Flüchtlingen hochaktuell. Auf Hiddensee fanden sich ja auch Menschen ein, die das Land verlassen wollten.

Waren Sie schon einmal auf Hiddensee?

Ja, kurz nach der Wende mit den Eltern und jetzt im Sommer.

Weil Sie wussten, dass das Stück auf Sie zukommt?

Ja. Ich war auch im „Klausner“, habe die Geschäftsführerin kennengelernt und erfahren, dass sie auch dort arbeitete, als Lutz Seiler Abwäscher war. Sie hat mir erzählt, dass es genau so war, wie es im Buch steht. Sie sagte mir auch, dass es Kruso gab. Für mich war das die beste Vorbereitung. Auf der Bühne gibt es die Küche vom „Klausner“. Hinten wird gekocht, vorne wird abgewaschen und die Speisen werden rausgebracht.

Wie wird Lutz Seilers kunstvolle Sprache auf der Bühne umgesetzt?

Der Autor spricht von der eigenen Seele zur Seele seines Lesers. Das ist intim. Für die Bühne braucht man aber Dialoge und Szenen. Ich finde, die Stückfassung ist gut gelungen. Trotzdem muss das Team ganz viel dazu erfinden, um alles spannend werden zu lassen.

Sie müssen viel improvisieren?

Ja, total. Die Kreativität des Teams ist gefragt. Man wirft sich die Bälle zu, das ist ein unglaublich schnelles Tempo in der Probenarbeit. Ich kenne das bisher nicht. Hier am Haus gehört es zur spannenden Arbeitsweise. Man muss lange suchen, um etwas Vergleichbares zu finden.

Premiere: 25. September, 19.30 Uhr, Schauspielhaus Magdeburg, weitere Vorstellungen: 3. und 23. Oktober.