1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Zwei Orte, zwei Teams, ein Fall

Polizeiruf 110 Zwei Orte, zwei Teams, ein Fall

Das Erste zeigte Sonntagabend "Wendemanöver", Teil 1 eines Polizeiruf-Doppel-Krimis aus Magdeburg und Rostock.

Von Oliver Schlicht 28.09.2015, 01:01

Magdeburg l Eine Sex-Szene des schwulen Ermittlers Drexler (Sylvester Groth) mit seiner Jugendliebe, dem Hauptverdächtigen Frey (Cornelius Obonya) – das ist die Episode, die wohl vor allem in Erinnerung bleiben wird von diesem „Wendemanöver“-Polizeiruf, der gestern in Folge 1 (Das Erste, 20.15 Uhr) zu sehen war. Der kühle Drexler verabschiedet sich mit Leidenschaft. Es war der letzte Magdeburger Polizeiruf mit Sylvester Groth. Schade eigentlich. Er hatte sich nach vier „110“-Folgen als Magdeburger Polizist gerade warm gespielt.

In seinem letzten „110“-Fall ist das Liebesleben der Kriminalbeamten das große Nebenthema dieses Doppelfolgenkrimis. Das ist recht unterhaltsam, weil amüsant umgesetzt. Die Hauptstory vom „Wendemanöver“ – die bis heute andauernden Machenschaften von ehemaligen DDR-Bonzen – ist dagegen derart ausufernd angelegt, dass der Zuschauer mit zunehmender Krimidauer kaum mehr folgen kann. Vor allem Folge 2 (4. Oktober, Das Erste, 20.15 Uhr) treibt die Verwirrung der Handlung auf die Spitze.

Zum ersten Mal in der „Polizeiruf“-Geschichte werden die Ermittlerteams von zwei Städten zusammengeführt: Rostock und Magdeburg. Die Story beginnt plausibel. Bei einem Brandanschlag auf eine Magdeburger Firma kommt die Frau des Juniorchefs ums Leben. Fast zeitgleich wird in einem Rostocker Hotel ein Wirtschaftsprüfer mit vier Schüssen niedergestreckt. Über einen Anruf auf dem Handy des Rostocker Opfers finden die Kriminalisten in beiden Städten schnell zusammen. Hauptfrage: Was haben beide Fälle miteinander zu tun?

Die Verknüpfung der Handlungsorte (Kamera Jonas Schmager) gelingt sehr gut. Beide Städte werden über teils spektakuläre Luftbilder stilvoll in Szene gesetzt. Auf Schrifteinblendungen der Städtenamen wird weitgehend verzichtet. Der jeweilige Ermittlungsort ergibt sich aus dem Zusammenhang. Magdeburger und Rostocker Ermittler arbeiten überwiegend in ihren Heimatstädten, was die Zuordnung für den Zuschauer erleichtert.

Aber die Teams kommen in beiden Krimi-Folgen auch örtlich zusammen - zunächst mehr in Magdeburg, am Sonntag in Folge 2 mehr in der Ostseestadt Rostock.

Zum 25. Jahrestag der Wende hatten die Buchautoren (unter anderem Regisseur Eoin Moore) im Sinn, vorzuführen, wie die geheimen Geschäfte von ehemaligen DDR-Funktionären und der Treuhand in den 1990er Jahren bis heute Blüten treiben. Das wirkt schon allein deshalb arg konstruiert, weil: „Das ist doch alles längst verjährt“, wie Kommissarin König (Anneke Kim Sarnau) irgendwann richtig anmerkt. Aus diesem Grund müssen die Kinder der Ganoven von damals die kriminelle Energie ihrer Väter in die Gegenwart retten.

Die Frage, warum das nach so langer Zeit noch so ist, wird in beiden Folgen kaum gestellt, geschweige denn beantwortet. Der Magdeburger Juniorchef Moritz Richter (Peter Schneider) der in Brand gesteckten Firma stolpert überwiegend schweigend und weinend durch beide Folgen. Immerhin beteiligt sich seine Tochter Jenny (Zoe Moore, Tochter des Regisseurs) gemeinsam mit ihrem linksaktivistischen Freund an der Aufklärung des Falles.

Das ist auch gut so. So bleibt dem Zuschauern immer mal wieder in Erinnerung, dass es in diesem Treuhand-Stasi-Waffenschieber-Wirrwarr doch eigentlich um die Frage ging: Wer ist schuld am Lagerhausbrand, bei dem Jennys Mutter ums Leben kam?

Irgendwann in Folge 2 geraten die historischen und aktuellen Behörden und Firmen in Halle, Magdeburg, Berlin, Hamburg und Rostock und die Namen und Legenden der Betrüger, Toten, der Lebenden, der Vergewaltiger und der Doch-Nicht-Vergewaltigungsopfer so wüst durcheinander, dass sich der Betrachter entspannt zurücklehnt und aufhört, die Story verstehen zu wollen. Ist diese Entscheidung erst einmal getroffen, wird es richtig unterhaltsam.

Wundervoll die Szene, als der durchgeknallte Freund von Drexler aus Helmstedt mit der Knarre im Anschlag die kreischenden Bürokräfte über die Flure des Magdeburger Wirtschaftsministeriums toben lässt. Köstlich, wie der Rostocker Ermittler Bukow (Charly Hübner) die Polizei-Psychologin besticht. Und – so viel sei verraten – dass der Papa von Bukow (Klaus Manchen) am Ende eine tiefgekühlte Leiche vorm Polizeirevier parkt, das hat schon was von Olsenbande.

Es überwiegt der Spaß an diesem „Wendemanöver“ – weniger der Story, sondern der guten Darsteller wegen. Den „Polizeiruf“ von Magdeburg und Rostock zu verbinden, war eine gute Idee. Zwei Handlungsorte, zwei Teams, die an einem Fall arbeiten – das hat zweifelsohne prächtig funktioniert.