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Sido im Interview Frauenverachtend? Niemals!

Der einstige Gangster-Rapper Sido macht heute entspannten Hip Hop fürs Radio.

Von Elisa Sowieja 11.11.2015, 00:01

Sie kommen gerade aus einem Radiointerview. Hätten Sie zu Beginn Ihrer Karriere als Gangster-Rapper gedacht, dass Sie mal Musik machen würden, die im Radio läuft?

Sido: Auch damals hätte ich mir schon gewünscht, dass meine Musik im Radio gespielt wird. Ich war nie so ein Scheuklappen-Hip-Hopper, der sich sagt, erfolgreich zu sein, ist doof. Ich habe immer nach Erfolg gedürstet.

Aber Ihnen war schon klar, dass die Texte Ihrer damaligen Songs eine Radiopräsenz schwierig machten?

Nö. Ein Lied wie „Mein Block“ oder „Mama ist stolz“ hätte meiner Meinung nach im Radio laufen können.

Heute werden Sie oft als Mainstream-Rapper bezeichnet. Ist das für Sie eher ein Kompliment oder eine Beleidigung?

Wenn Mainstream bedeutet, ich verkaufe viele Platten: Das stimmt, in diesem Sinne wäre es ein Kompliment. Wenn Mainstream bedeutet, ich verkaufe mich, um viele Platten zu verkaufen: Das stimmt nicht. Ich mache einfach gute Musik, die funktioniert. Und ich bleib mir immer treu.

Ihre aktuellen Songs wie „Astronaut“ passen also zufällig zu dem, was angesagt ist?

Den Geschmack, den ich habe, haben viele Leute anscheinend auch.

Der Wandel weg vom Gangster-Rapper kam vor allem mit Ihrem vergangenen Album. Was hat ihn ausgelöst?

Dazu hat viel beigetragen, dass ich eine Frau gefunden habe, von der ich nicht dachte, dass ich so jemanden mal haben würde. Eine, der man komplett treu ist, mit der man über alles redet. Ich fühle mich komplett angekommen, und so klingt das Album auch: Nach einem Typen, der keinen Grund mehr hat, über Dinge zu meckern.

Die Frau, die einen zu einem besseren Menschen macht – das klingt wie aus einem Disney-Film.

Ich glaube, erst die eine Frau macht dich zu einem richtigen Mann. Ich habe viele Freunde, die sie bis heute nicht gefunden haben. Sie sind immer noch nicht auf dem richtigen Weg.

Als Sie beide sich kennenlernten, wie haben Sie ihr Ihre alten Songs mit frauenverachtenden Texten erklärt?

Meine Texte waren nie frauenverachtend.

Auch nicht der Text des „Arschficksongs“?

Frauenverachtend heißt, ich verachte alle Frauen. In dem Song wird eine Situation beschrieben, die vielleicht nicht ins Bild normaler Liebender passt – um es mal diplomatisch auszudrücken.

Trotzdem fand Ihre Frau das Lied wahrscheinlich nicht so toll, oder?

Sie versteht meine Intention: Provokation. Das hat ja auch einwandfrei funktioniert. Als wir früher unsere Tapes herausbrachten, war die größte Kritik an uns, dass es angeblich nur um Fäkalsprache ging. Ich fand, das war nicht so. Aus Trotz und Provokation hab ich ein ganzes Lied darüber gemacht. Irgendwann ging der Song dann durch die Decke.

Beim Gedanken an deutschen Hip Hop kommen einem heute nur anständige Jungs in den Sinn: Cro, Marteria, die Fantastischen Vier. Ist der deutsche Gangster-Rap tot?

Der funktioniert immer noch sehr gut. Es gibt nach wie vor junge Leute, die sehr erfolgreich sind: KC Rebell, Farid Bang, Kollegah. Die laufen nur nicht im Radio.

In der Öffentlichkeit werden Sie nicht ansatzweise so stark wahrgenommen wie einst Sie und die anderen Rapper beim Label Aggro Berlin.

Diesen Hype kannst du nicht mehr erschaffen. Die jetzigen Gangster-Rapper reiten ja nur auf der Welle weiter, die wir losgetreten haben. Aber bei den jugendlichen Hip-Hop-Fans funktioniert die Gangster-Rap-Attitüde noch einwandfrei.

Ihre neue Musik stellen Sie jetzt live vor. Spielen Sie da auch den Song über Analsex?

Den spiele ich, aber nicht mehr komplett, sondern reduziert auf den Refrain. Ich könnte nicht ein Konzert ohne diesen Song geben: Nach jedem dritten Lied schreit das Publikum den Refrain. Aber für die Leute ist das nicht sexistisch, sondern lustig. Ich habe auch kein Problem damit, „Fuffies im Club“ zu spielen, auch wenn mir der Song nicht mehr direkt aus der Seele spricht. Es war eine Zeit in meinem Leben, zu der ich stehe.

Haben Sie keine Angst, die Fans zu verschrecken, die mit Ihrer früheren Musik nichts anfangen können?

Ich möchte immer zufrieden einschlafen mit dem, was ich tue. Und wenn ich mir einen Kopf darum machen würde, wie ich es allen recht mache, wäre ich nicht zufrieden.

Haben Sie mal über zwei getrennte Touren nachgedacht – eine als der alte Sido mit Maske und eine ohne?

Der Typ mit der Maske ist derselbe wie der Typ ohne. Nur der mit Maske war jünger und hatte ein anderes Leben. Ich bin jetzt 34 Jahre alt und zum Glück nicht mehr so ein rebellischer, perspektivloser Typ wie damals.

Wenn Sie zurück sind von der Tour, wie sieht ein perfekter freier Tag für Sie aus?

Füße hoch, Filme schauen und chillen! Außerdem koche ich zur Entspannung gern – es muss aber etwas sein, das lange dauert. Was mir, wie ich finde, am besten gelingt, ist mein Leibgericht: Rouladen.

Wenn Sie sich heute privat einschätzen: Sehen Sie sich eher als Spießer oder als Straßenjunge?

Der Wunsch in mir nach Ruhe und Harmonie könnte mir als spießig ausgelegt werden. Aber für mich sind Spießer sehr penible Menschen, die zum Beispiel sonntags nicht bohren. Das bin ich nicht. Was den Straßenjungen betrifft: Der bin ich zwar nicht mehr. Aber ich glaube, dass der Satz stimmt: Du kriegst den Jungen aus dem Viertel, aber das Viertel nicht aus dem Jungen.

Sido spielt am 3. Dezember in der Stadthalle Magdeburg.