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Zielitz Ein neues Theater mitten im Dorf

In Zielitz wird seit Jahren sehr engagiert Theater gespielt. Jetzt ziehen die Mimen des Holzhaus­theaters in einen Neubau um.

Von Grit Warnat 27.11.2015, 00:01

Zielitz l „Wir gehen voller Respekt in dieses Haus.“ Sigrid Vorpahl, die über das Wort Intendantin schmunzelt, ist das Glück über das neue Theater anzusehen. Manchmal, so sagt sie, sei das alles wie ein Traum.

Die Vereinsvorsitzende des Holzhaustheaters steht im ansteigenden Theatersaal und blickt auf die 60 Quadratmeter große Bühne. Sechs Reihen mit 96 Zuschauerplätzen, der Technikraum hinter Glas, von der Decke hängen Strahler. Hellblaue Türen, ein hellblauer Vorhang, farblich dazu abgestimmt die Wände. Auch in der modernen Saalbeleuchtung und im Foyer finden sich dieses Blau und ein angenehmer Grünton immer wieder. Großzügig, modern ist alles geworden. Und die Akustik stimmt, sagt Vorpahl. Ohne Mikrofon seien sogar die fünfjährigen Kinder bis auf den obersten Platz zu hören.

Zielitz mit seinen nicht ganz 1900 Einwohnern hat einen Theaterneubau mitten im Dorf. Der kostet stolze 2,6 Millionen Euro. Obwohl die Europäische Union mit 350  000 Euro förderte und 25  000 Euro vom Landkreis hinzukamen, bleibt eine riesige Summe bei der Gemeinde hängen. „Es ist sehr ungewöhnlich, dass ein kleiner Ort wie wir solch einen Theaterbau stemmt“, sagt Bürgermeister Dyrk Ruffer. Man habe mit dem Kaliunternehmen K+S zwar einen guten Steuerzahler im Ort, trotzdem sei die Entscheidung zu diesem gewaltigen Bauvorhaben dem Gemeinderat alles andere als leichtgefallen. Er spricht von vielen Diskussionen und Abwägungen.

Die morgige Einweihung des Theaters gilt als weiterer Baustein des Zielitzer Kultur- und Bildungszentrums mit der Bibliothek. Gleich neben dem Theater, einst Standort der baulich desolaten Sporthalle, lernen die Schüler. Ein Verbindungsgang führt von der Schule direkt in den Theatersaal. Bis zum frühen Nachmittag kann er von Schülern und Lehrern genutzt werden, danach von den Schauspielern. „Wir wollen durch eine gute Infrastruktur den Ort stärken, die Leute sollen Spaß haben, hier zu wohnen. Wir wollen mehr sein als ein Ort für die Nachtruhe.“

Das Holzhaustheater ist ein Lebenspunkt im Ort. Es hat jede Menge theatrales Spaß- und Lernpotenzial und sich eine Reputation erarbeitet. Das alte Domizil des Theatervereins, so Ruffer, sei einfach nicht mehr tragbar gewesen.

Das Zuhause der Mimen war eine zusammenschiebbare Sero-Baracke aus tiefer DDR-Zeit, auch Raumerweiterungshalle genannt. Im Sommer von der Sonne aufgeheizt, im Winter war es kalt. 80 Plätze gab es, oft waren sie ausverkauft.

Jeder im Ort kennt das Theater und seine Entwicklung, weiß um die Anziehungskraft der sommerlichen Kalimandscharo-Festspiele oben auf dem „Berg“. Und jeder kennt Sigrid Vorpahl. Immer wieder wird sie gern als Prinzipalin bezeichnet. Die Theaterwissenschaftlerin und Journalistin schreibt Texte, Spielfassungen, führt Regie, hält alles zusammen. Der Bürgermeister nennt sie Hauptherzblutakteurin.

Äußerst beschaulich begann die Theater-Vereins-Geschichte im Garten der Vorpahls. Gemeinsam mit Freunden baute das Ehepaar 1992 ein Holzhaus in sein grünes Reich. Davor auf der Terrasse wurden Goethe-Texte vorgetragen. In den Folgejahren wuchs das Ganze zu größeren Garten-Auftritten. Dann kam die Halde. Sigrid Vorpahl entdeckte die utopisch anmutende, aufragende Mondlandschaft des Salzberges als Kulisse für ein Festspiel. Die Kaliwerker unterstützten das Vorhaben, ein Verein wurde gegründet – selbstverständlich das Holzhaus im Namen.

Das erste Open-Air-Festspiel, so sagt Sigrid Vorpahl rückblickend, war ein Erfolg, auch der außergewöhnlichen Spielstätte wegen. Es befruchtete die Arbeit des Holzhaus­theater-Vereins, es kamen immer mehr Schauspieler, immer mehr Kinder wollten mitmachen. Eine Schauspielschule für Kinder und Jugendliche wurde ins Leben gerufen. Es geht um schauspielerisches Handwerk, um Sprecherziehung, um selbstbewusstes Auftreten. 80 Mitglieder zählt heute der Verein, darunter sind 50 Schüler. Der jüngste zählt fünf Jahre, der älteste über 70.

Sigrid Vorpahl geht durch das helle, freundliche Foyer und sagt fast nebenbei, dass es größer ist als die alte Spielstätte. Vier Jugendliche üben Fechtszenen. Der Magdeburger freischaffende Schauspieler Ekkehard Schwarz, schon im Holzhaus dabei und dem Theater bis heute treu geblieben, gibt Anleitung. Die Vereinschefin erzählt, dass seit Jahren schon Profischauspieler und Amateure zusammenarbeiten, gemeinsam auf der Bühne stehen und so voneinander lernen. Sigrid Vorpahl spricht bewusst von Amateuren. Sie mag das Wort Laien nicht.

Dann schiebt sie eine Wand zur Seite, hinter der eine Theke und eine Küche zum Vorschein kommen. Dahinter ein Raum mit Kostümständern, Spiegeln. Die Ankleide.

Michael-Jackson-Musik tönt aus dem Computer. Friederike Walter tanzt vor, Arme grazil in der Luft, Sprünge. Sie gibt zweimal in der Woche Bewegungsunterricht. Alina Gladow, Lena Wendt und Lucie Bruchhold konzentrieren sich auf die Musik. Dann gehts kurz auf die große Bühne, Gespür bekommen für den Boden, das Haus, all das Neue. Alle drei strahlen beim Tanz. Beim Dehnen schwärmt Lena Wendt: „Als ich das erste Mal das Haus sah, konnte ich es nicht fassen. Es ist großartig.“

Die jungen Damen, alle bereits mit reichlich Bühnenerfahrung, proben für den Auftritt am Sonnabend. Das ganze Ensemble wird zum Tag der offnenen Tür auf der neuen Bühne stehen. Jeder will bei der Eröffnung dabeisein, erstmals das volle Haus genießen, das Theater mitten im Dorf.

Kaum zu glauben, dass diese Geschichte in einem Holzhaus ihren Anfang nahm.