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Puppentheater Feiner Witz und Wüstensand

Die Weihnachtsinszenierung des Puppentheaters Magdeburg „Der kleine Muck“ ist gespickt mit 1001 Ideen. Ein Genuss für die Sinne.

Von Claudia Klupsch 29.11.2015, 23:01

Magdeburg l 1826 schrieb Wilhelm Hauff in seinem Märchen-Almanach „Die Karawane“ auch „Die Geschichte vom kleinen Muck“, wohlgemerkt zur Erbauung der „Söhne und Töchter gebildeter Stände“. Die Erbauung funktioniert noch heute (über „Stände“ hinaus), wird doch die Geschichte eines Außenseiters, eines Verstoßenen erzählt, der bösen und beschränkten Gegnern ein Schnippchen schlägt.

Der arme kleine Muck, seufzt es in einem, wenn sich die erbarmungswürdige Gestalt erstmals auf der Bühne zeigt. Schiefes Gesicht und humpelnd. Fiese Sprüche hallen ihm nach, Kinderstimmen verspotten ihn als buckligen Zwerg mit großem Kopf und krummen Beinen. Gehetzt versucht er, seinen Mobbern zu entkommen. Puppenspielerin Anna Wiesemeier hat sich die „Hauptfigur“ um den Oberkörper geschnallt. Kopf und Bauch sind Puppe, die Beine sind Mensch.

Kerstin Schmidt und Regisseur Frank Alexander Engel haben diese besonderen Figuren für das Stück erschaffen. Puppe und Mensch verschmelzen in einem Wesen voller Lebendigkeit. In ihm schlägt ein Herz. Den Puppenspielern ist körperlich und schauspielerisch alles abverlangt: Puppen führen, deren und eigene Bewegungen koordinieren, Emotionen in Körper, Gesicht und Stimme bringen. Das Ensemble meistert die Herausforderung bravourös. Die Kraft der Puppe-Mensch-Figuren entfaltet sich auf der Bühne und freilich die wundersame Geschichte des kleinen Muck, die Geschichte von Abenteuern bei Frau Ahauzi samt Katzen, von Erlebnissen bei Hofe mit König und Lakaien, von Zauberpantoffeln und magischem Stöckchen, von tückischen und heilenden Feigenfrüchten.

Klassische Requisiten fallen minimal aus. In die Atmoshäre des Märchens versetzen vor allem Stefano Trambustis fantastische künstlerische Video-Projektionen, die den kleinen Muck als kleine Scherenschnittfigur durch die Wüste wandern und später am Nachthimmel flitzen lassen. Der Ton lässt Wüstenwind wehen und orientalisch angehauchte Musik dringt ins Ohr. Den angeschrägten Bühnenboden zusätzlich als Projektionsfläche zu nutzen, ist eine brillante Idee. Das Wettrennen zwischen des Königs Schnellläufer und Muck kann die Geschwindigkeitsrelationen zeigen, die das Märchen hergibt – sehr zum Amüsement des Publikums.

Überhaupt hält die Inszenierung feinen Humor bereit. Die Meute aus grinsenden, mauzenden und auf gekochten Brei fixierten Katzen ist einfach herrlich komisch. Die Ausstatter haben einige winzige Schmunzler eingebaut, so etwa das Loch in des Königs Strumpf. Höhepunkt ist die Feigen-Szene, als König und Diener lange Nasen und Eselsohren wachsen. Schreiend-komisch, wie sie ihre Verunstaltung erkennen! Der Trick der Hin- und Rückverwandlung ist nur zu erahnen, die Gesichter bieten Schrecknis genug, vergessen ist in diesem Augenblick, dass Menschen die Puppen führen.

Fazit: Die Puppenspieler Anna Wiesemeier, Freda Winter, Florian Kräuter und Leonhard Schubert agieren in Hochform. Das Stück erfreut mit seinem Feuerwerk an Ideen, versetzt in eine stimmungsvolle Atmosphäre, verbreitet Witz und Leichtigkeit. Puppen verkörpern Charakter – der arme, der große Muck, der bräsige König mit intriganten Dienern, die hexenhafte Katzenherrin samt verfressenen Viechern. Natürlich dringt die Moral von der Geschicht durch: Die Suche nach dem Glück erschöpft sich keineswegs in materiellen Dingen. Vielleicht findet das Glück dich, heißt es im Text. Was immer das heißen mag. Nachdenken erwünscht.

Für die Vorstellung am 4. und einzelne Aufführungen wochentags ab dem 9. Dezember sind noch Karten erhältlich.