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Festtage Ein Arkadien voller Erotik

Zu den Magdeburger Telemann-Festtagen gehört die groß produzierte Oper „Damon“. Am Sonnabend war Premiere am Opernhaus.

Von Irene Constantin 13.03.2016, 23:01

Magdeburg l Eine böse Nachricht alarmiert Arkadien: die groben, sexgierigen Satyrn mit ihrem Anführer Damon stehen an der Grenze, um ins Land der Hirten und Schäferinnen einzufallen, wo man sich deutlich galanter der Liebe widmet. Um Zeit zu gewinnen, inszeniert der arkadische Anführer, der Hirte Tyrsis, sein eigenes Begräbnis. Seine schöne Schwester Mirtilla heuchelt Wahnsinn, um sich für Damon unattraktiver zu machen.

Schon für diese erste Szene entwickelt Telemann interessante Musizierformen. Nach eher komischen Trauergesängen darf Mirtilla sogar eine frühe Form der „Wahnsinnsarie“ zum Besten geben.

Es nützt alles nichts, Damon und seine Gefolge – Tarnfleckenanzüge, ein Panzer, Gewehre, schwarze Gesichter – fallen ein und setzen Arkadien in Flammen. Ein flaues Gefühl entfaltet sich für einen Moment in der Magengrube, aber alsbald wischt die groteske Komödie jegliche mit der Realität verbindenden Assoziationen beiseite. Es wird zu einem sexuell-erotischen Jagen und triebhaften Schwitzen geblasen, das sich bis zur Pause ziemlich zieht.

Putzige Einfälle reihen sich wie aufgezogen aneinander, aber es will und will keine Idee daraus werden. Was nicht sein müsste, denn es geht um ein immer spannendes Thema, um die mehr oder weniger feinen Unterscheidungen und Vermischungen von leichtem Flirt, wahrer Liebe, krachender Triebbefriedigung. Im Telemannischen 18. Jahrhundert waren die öffentlichen und heimlicheren Spielarten der Galanterie ein Gesellschafts- und natürlich auch ein Kunstthema.

Das feine adelige Erotik-Tändeln oder die tiefempfundene bürgerliche Liebe sahen sich mit den groben Begehrlichkeiten aller möglicher Satyrn konfrontiert. Spätere Vertreter dieses Typs sind der schulterküssende Oberst Ollendorf im „Bettelstudent“ oder, viel berühmter, Herr Ochs auf Lerchenau im „Rosenkavalier“. Auf der Bühne sind sie komisch, weil sie stets dumm-deftig in die gesitteten Kreise hinein­trampeln. Aron Stiehl hat indes seine arkadische Gesellschaft genauso albern und vervolltrottelt inszeniert, wie den zotteligen Damon. Telemanns musikalische Kontraste in den Arien und Ensembles – hier ein einfacher Rundgesang, dort auserlesene Koloraturen und orchestrale Kolorierungen - finden kaum szenische Entsprechungen.

Nach der Pause kriegte die Inszenierung doch noch die Kurve von der uninspirierten Klamotte in Richtung des Amüsanten – dank des politisch wunderbar unkorrekten Puppenspiels, mit dem die Arkadier Damon zuerst in den siebenten Himmel und dann außer Gefecht befördern.

Genauso gemischt wie der szenische Eindruck war der musikalische. Das 2003 gegründete, auf historischen Instrumenten musizierende Ensemble „Opera Fuoco“ beherrscht sein Metier. David Stern und die Musiker fanden ein fein abgewogenes Maß zwischen akzentuierter, die Handlung stützender „Klangrede“ und einem farbenreichen, schön gemischten Orchesterton in den Akt-Vorspielen. Ein luftiges, atmendes Spiel war zu hören.

Die Solisten konnten nicht durchweg überzeugen, vieles klang ein bisschen nach Jugend-Projekt. Die leuchtende Ausnahme war Natalie Pérez als Mirtilla, die unter anderem eine hinreißende Liebesklage zum nächtlichen Sternenhimmel hinaufsang. Ebenfalls sängerisch überzeugend das Ehepaar Damon-Nigella; er Satyr, sie Putzfrau, er Martin-Jan Nijhof, sie Sylvia Rena Ziegler. Und, nicht zu vergessen, das zauberschöne Arkadien entwarf Bühnenbildner Frank Philipp Schlößmann.

Weitere Aufführungen: 18. und 19. März jeweils 19.30 Uhr im Opernhaus Magdeburg.