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Künstlernachlässe Auf den Müll oder ins Museum?

Für Museen in Sachsen-Anhalt können Künstlernachlässe eine willkommene Bereicherung oder eine große Last sein.

Von Uta Baier 17.03.2016, 23:01

Halle l Marielies Riebesel hatte Glück. Ihr künstlerischer Nachlass kommt ins Museum. Nach dem Tod der Hallenser Gobelinweberin im März 2015 konnten ihre Erben mit Unterstützung des Berufsverbands Bildender Künstler Sachsen-Anhalt sowohl das Stadtmuseum Halle als auch das Kunstmuseum Moritzburg für den Nachlass begeistern. Das Stadtmuseum übernahm 300 Objekte - Kunstwerke, Studien, Dokumentationen – das Kunstmuseum Moritzburg soll 43 Werke, darunter drei große Bildteppiche, als Dauerleihgabe bekommen. In diesem Sommer soll der Nachlass in einer Ausstellung in den Räumen der Kunststiftung Sachsen-Anhalt erstmals gezeigt werden.

Dass sich Museen für einen Künstlernachlass interessieren und ihn übernehmen, ist nicht die Regel. Das Kunstmuseum Magdeburg, das regelmäßig Anfragen von Erben erhält, lehnt die meisten Angebote ab. Denn vieles aus der Region habe nicht die künstlerische Qualität, die das Museum erwarte, sagt Kurator Uwe Gellner. Außerdem gebe es ein großes Platzproblem. „Um Bildhauer-Nachlässe aufzunehmen, bräuchten wir viel mehr Depotflächen“, sagt Gellner.

Der Nachlass der in Magdeburg geborenen und 2009 gestorbenen Fotografin Lore Krüger braucht dagegen nicht viel Platz. Es ist lediglich ein „Koffer voller Bilder“, so der Titel der Erstpräsentation in der CO-Galerie in Berlin. Der Ankauf des Nachlasses für das Kunstmuseum Magdeburg soll 2016 realisiert werden. Damit kommt das Werk einer aus Deutschland vertriebenen Magdeburgerin, die in London, Mallorca, Barcelona, Paris, Marseille, Trinidad, New York, Wisconsin und Berlin fotografierte, in ihre Heimatstadt.

Andere Museen setzen durchaus auf die Kunst aus ihrer Region. „Unsere Sammlung besteht aus Werken der klassischen Moderne und der Nachkriegskunst. Dazu gehört natürlich die Kunst, die während der Zeit der DDR entstand. In der Vergangenheit gab es die Tendenz, sich vor dieser Tradition wegzuducken. Aber sie gehört zum Profil des Hauses und das wollen wir weiter schärfen“, sagt Thomas Bauer-Friedrich, Direktor des Kunstmuseums Moritzburg in Halle.

Dass die Verhandlungen über den Nachlass des Hallenser Malers Albert Ebert zugunsten der Saalesparkasse ausgingen, bedauert Bauer-Friedrich daher sehr. Immerhin kommt er als Dauerleihgabe ins Museum.

Um die eigene Geschichte und Tradition sorgt sich auch die Stiftung Bauhaus Dessau und ist vor allem offen für Nachlässe und Teilnachlässe von ehemaligen Bauhausschülern, Mitarbeitern und Lehrern. So übernahm die Stiftung beispielsweise die Materialien des zweiten Bauhausdirektors Hannes Meyer und der Architekten Carl Fieger und Franz Ehrlich. Archivleiter Lutz Schöbe rät allen Erben ehemaliger Bauhäusler, sich mit dem Nachlass „vertrauensvoll an die Mitarbeiter der Sammlung zu wenden.“

„Es muss natürlich immer einen regionalen Bezug geben, wenn wir einen Nachlass aufnehmen“, sagt Roland Wiermann, Direktor des Museums Schloss Bernburg. Wiermanns Haus hat in den vergangenen Jahren drei Teilnachlässe aufgenommen, zuletzt 2013 private Unterlagen des letzten anhaltisch-bernburger Hofmalers Carl Raphael Reinhardt (1820-1903). „Ob das Museum weitere aufnehmen kann, hängt vom Stellenplan ab. Nur wenn die Materialien inventarisiert und erforscht werden können, nutzen sie dem Museum und seinen Besuchern auch“, sagt Wiermann. Denn eines soll sein Museum nicht sein: Nur ein Aufbewahrungsort für Kunst.

Doch nicht nur Platz- und Personalprobleme hindern die Museen an der Übernahme von Künstlernachlässen. „Die Museen haben zu wenig Geld für Ankäufe und kaufen zu wenige Werke von Künstlern aus ihrer Region“, beklagt Ruth Heftrig, Geschäftsstellenleiterin des Berufsverbandes Bildender Künstler Sachsen-Anhalt. Wenn ein Museum aber keine Werke der Künstler vor Ort kaufen kann, beschäftigen sich seine Mitarbeiter auch nicht mit deren Werk und interessieren sich nach dem Tod des Künstlers nicht für seinen Nachlass. Ein Teufelskreis. Denn: „Ein Blick in die Kunstgeschichte zeigt, dass die Bewertung künstlerischer Arbeit einem durchaus dynamischen Prozess unterworfen ist, dass also die Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern, die zu deren Lebzeiten wenig Beachtung fand, von späteren Generationen ganz anders bewertet werden kann“, sagt Werner Schaub, Vorsitzender des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler.

Immerhin hat auch die Landesregierung das Problem erkannt. Das Land förderte im vergangenen Jahr Projekte des Verbandes, mit dem Beratungsangebote für Künstler geschaffen werden sollen. Die beantragte Förderung für 2016 wurde allerdings nur teilweise bewilligt, wie der Verband beklagt.

„Unser Fernziel ist ein Nachlassdepot“, sagt Ruth Heftrig, denn: „Museen sind nicht dazu da, alle Nachlässe zu bewahren.“ Vorerst hat der Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler ein „Kompendium zum Umgang mit Künstlernachlässen“ herausgegeben, in dem er - unter anderem - den Künstlern empfiehlt, ihren Nachlass zu Lebzeiten zu ordnen. Denn die Gefahr, dass Kunst auf dem Müll landet, ist ohne ein zentrales Nachlassdepot weiterhin groß.