1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Sparsame Gesten, große Wirkung

Ballett Sparsame Gesten, große Wirkung

Rosen für die Künstler und minutenlange stehende Ovationen des Publikums in Magdeburg. „Coppélia" war vor allem ein Fest für alle Sinne.

Von Rolf-Dietmar Schmidt 15.04.2016, 23:01

Magdeburg l „Coppélia“ ist eine märchenhafte Geschichte, die Magdeburgs Ballettdirektor Gonzalo Galguera mit einem Großaufgebot seines Ballettensembles in phantasievolle und anrührende Tanzbilder umgesetzt hat. Es dürfte wohl alles, was im Ballettsaal Beine hat, auf der Bühne gewesen sein.

Hinzu kamen noch Elevinnen der Staatlichen Ballettschule Berlin und der Theaterballettschule Magdeburg. Das Stück ist ein Klassiker des romantischen Balletts, der seit seiner Uraufführung vor fast 150 Jahren an der Oper Paris überall auf der Welt Erfolge feiert.

Die Musik von Léo Delibes hat daran großen Anteil. Sie bietet alles, was eine Ballett-Kompagnie zeigen kann: volksliedhafte kraftvolle Tänze für große Ballettgruppen, Raum für anspruchsvolle Pas de deux der Protagonisten und ebenso höchst einfühlsame Pas seul, bei denen sich die Musik ganz dem Ausdruckstanz unterordnet.

Michael Lloyd, der den Taktstock und damit die musikalische Leitung der Magdeburgischen Philharmonie an diesem Abend führte, ist ein Ballettspezialist und ein Glücksgriff dazu. Der Musikdirektor und Chefdirigent des Birmingham Philharmonic Orchestra und des Chandos Symphony Orchestra im englischen Malvern ist in Magdeburg kein Unbekannter, hat schon häufig äußerst erfolgreich mit Gonzalo Galguera gemeinsam Ballettprojekte auf die Bühne gebracht.

Der weltweit anerkannte Choreograf Galguera, dem modernen Ballett und neuen tänzerischen Ausdrucksformen durchaus zugewandt, hat bei „Coppélia“ der klassischen Romantik vollen Raum gelassen. Und er hat mit der Französin Lou Beyne als Swanilda und dem Kanadier Daniel Smith als Franz aus der Magdeburger Ballett-Kompagnie sowie dem Spanier Juan Pablo Lastras Sanchez (Coppélius) als Gast die drei tänzerischen Hauptrollen exzellent besetzt.

Insbesondere Lou Beyne hat alles, was eine Primaballerina auszeichnet. Sie besticht durch Grazie, ausdrucksvolle Mime, erzielt auch mit sparsamsten Gesten große Wirkung und scheint insbesondere bei ihren Pas seul die Gesetze der Schwerkraft für den menschlichen Körper aufzuheben.

Daniel Smith mit all den Anlagen, einmal ein männliches Pendant, ein Première danseur, zu werden, ist für sie ein idealer Partner.

Die äußerst schwierige Rolle des schrulligen Puppenbauers Coppélius bewältigt Juan Pablo Lastras Sanchez so beeindruckend, dass den Protagonisten wie auch dem gesamten Ensemble immer wieder vom Publikum spontan Applaus gespendet wird.

Die Bühne von Juan León, insbesondere das Haus des Puppenbauers Coppélius, und die phantasievollen Kostüme von Stephan Stanisic erzielen zusammen mit der Musik und dem Geschehen auf der Bühne eine musikalische und tänzerische Gesamtwirkung, der man sich kaum entziehen kann.

Die eigentliche Geschichte des Stücks, die auf den „Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann zurückgeht, tritt dabei in den Hintergrund, was aber kein Nachteil ist. Aus dem düsteren Hoffmann-Inhalt wird in dem Ballett eine Komödie um die Liebe zwischen Verlobten, die zeitweilig von einer geheimnisvollen Puppe des Magiers und Puppenbauers Coppélius gestört wird. Der Wunsch des Magiers, mit allen Mitteln aus seiner Puppe, seinem Maschinenmenschen, ein lebendiges Wesen zu schaffen, misslingt. Dank des Mutes und Ideenreichtums von Swanilda nimmt aber schließlich alles doch ein gutes Ende.

Und da greift dann Ballettdirektor Galguera in die Geschichte ein, denn statt der materiellen Belohnung des Puppenbauers im Original wird hier der gemiedene Sonderling gleichberechtigt in die Dorfgemeinschaft aufgenommen. Ein schönes, ein romantisches Ende, zum Zurücklehnen und Träumen, bevor die Realität wieder die Oberhand hat.