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Theater „Hair“ auf der Baustelle

Am Montag kam das Ensemble für das Domplatz-Open-Air zur ersten Probe zusammen. Gezeigt wird das Musical "Hair".

Von Grit Warnat 10.05.2016, 01:01

Magdeburg l 70 Leute sitzen im Proberaum, Sänger, Tänzer, Ankleider, die Solisten wie Jan Rekeszus, Gil Ofarim und Nedime Ince. Jeder stellt sich kurz vor. Die Stimmung ist locker, gelöst. Dramaturg Thomas Schmidt-Ehrenberg erzählt über die Handlung des Musicals „Hair“, das in die Gemeinschaft von Hippies in New York in den 1960er Jahren führt. Es gebe keinen traditionellen Handlungsablauf, eher Szenen, Streiflichter, die Ängste, Hoffnungen, Liebe, Weltanschauungen einer Bewegung in den Fokus rücken. Schmidt-Ehrenberg spricht von dem ersten großen Rockmusical, das es am Broadway gegeben hat, von einer unglaublichen Songdichte und einer großen musikalischen Vielfalt.

Und er erklärt den vor ihm sitzenden Künstlern, warum das Musical trotz der 50 Jahre keineswegs alt ist. „Hair“ verhandele Themen, die heute aktuell sind. Es gehe um Rassismus, um Kapitalismuskritik, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, um das Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit und einem starken Staat. „Es ist ein Stück über Humanität, Liebe, Zusammenhalt und den Krieg“, sagt der Dramaturg. Das Theater wolle damit auch ein Zeichen setzen. Beifall gibt es von den Sängern, Tänzern, Ankleidern.

Die erfahren an diesem Tag, dass ihre Bühne eine Baustelle werden wird – die Baustelle des World Trade Centers. Das wurde Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre in Manhattan erbaut (Herzstück waren die Zwillingstürme, die bei den Terroranschlägen 2001 einstürzten). Dort lässt Regisseur Erik Petersen seine Hippies wohnen. Jens Kilian wird deren Welt erschaffen mit Bauschutt, Rohbau, Fahrzeugen, Kran, einem Regenbogen.

Manch einer in der Runde hat mit Kilian bereits zusammengearbeitet, er hatte die beeindruckende Open-Air-Kulisse für „Les Misérables“ erschaffen. Wer ihn nicht kennt, erfährt, dass der Bühnenbildner auch für das „Wunder von Bern“ am neuen Stage Theater in Hamburg verantwortlich zeichnete, für das er den Deutschen Musical Theater Preis 2015 bekam. Kilian winkt beim anerkennenden Klatschen ab und erzählt lieber von seinen Ideen zwischen Dreck, Licht, Baustelle. Zwischendrin die Hippies, grell und bunt. Kostümbildnerin Dagmar Morell weist schon aufs geschlossene Schuhwerk hin. In Magdeburg gibt es die Hippies ohne Sandalen – des Arbeitsschutzes wegen.

Morell wie auch Choreografin Kati Farkas wollen Typen auf der Bühne haben. Sie setzen, das machen beide deutlich, auf das Individuelle. Die Sänger sollen auch Ideengeber sein. Die Energie des Stückes müsse in die Köpfe, sagt Regisseur Erik Petersen.

„Wir können verändern“, gibt auch Damian Omansen vor dem Probenauftakt mit auf den Weg. Der musikalische Leiter steht für eine große Orchester-Version von „Hair“. Er spricht von 27 Musikern, die Magdeburgische Philharmonie wird live spielen.

Anderthalb Jahre haben Omansen und Petersen geistige Vorarbeit geleistet. Petersen, gebürtiger Magdeburger und Wahl-Hamburger, der sich mit seiner Inszenierung des Musicals „Crazy for you“ am Magdeburger Opernhaus viel Anerkennung erspielte, sieht in „Hair“ nicht nur lange Haare, Drogen, Flower-Power. „Mir geht es um Menschen, die ihre Meinung vertreten.“

Etwas über zwei Stunden wird die Aufführung dauern. Petersen: „Das bedeutet Wahnsinnstempo in der Choreo, der Musik, den Umbauten. Wir haben extrem viel vor.“

Er klatscht in die Hände, 70 Leute klatschen mit. Pause. Dann werden einzelne Szenen durchgesprochen. Und musikalisch wird erstmals geprobt. In sechs Wochen ist Premiere.