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Revuetheater Ein Fest der Farben

Wenn der Friedrichstadtpalast zur neuen Show ruft, ist ein Fest für die Sinne programmiert. „The One Grand Show“ ist solch ein Fest.

Von Grit Warnat 08.10.2016, 01:01

Berlin l Eines vorweg: Die Story ist dünn und schnell erzählt. In den Überresten eines alten Theaters feiert ausgelassen ein verrückt anzusehendes Partyvolk, in dessen Mitte ein junger Mann in Lederjacke und Schottenrock (Sänger Roman Lob) wie ein Fremdkörper wirkt. Er erlebt eine Traumreise zwischen Gegenwart und Vergangenheit und begegnet Sternchen und Stars und der einstigen Prinzipalin des Hauses (Musicalfrau Brigitte Oelke), die ihn singend ermuntert: „Glaub an deine Träume.“

Es verspricht beste Revue, solche Träume in berauschende Tanz- und Akrobatik-Bilder zu packen und mit toller Musik zu untermalen. Dass der „Palast“ solche Welten erschaffen kann, hat er in seinen vorangegangenen Produktionen bewiesen. „The One Grand Show“ ist bereits die fünfte Großproduktion von Intendant Berndt Schmidt, der erneut klotzt und mit etwas mehr als elf Millionen Euro die teuerste Produktion des Hauses verantwortet. Auch „The One Grand Show“ steht für einen Farbenrausch, der die Sinne fordert.

Modeschöpfer Jean Paul Gaultier, der erstmals eine Revue ausstattet, sich damit nach eigenem Bekunden einen Traum erfüllt und zur Weltpremiere von den 1900 Gästen gefeiert wird, hat seiner unbändigen Fantasie freien Lauf lassen können. Schon die Eingangsszene, als sich Tanzfreudige zur Undergroundparty zusammenfinden, gleicht einem von Paradiesvögeln wimmelnden großen Laufsteg. Leder und Lack, knallbunter Federschmuck, Hahnenkämme, Reifkleider und bemalte Körper, die aussehen wie Gemälde mit Beinen und Armen. Tänzerinnen mit Tätowierungen und Kegel-BH, wie Gaultier ihn für Madonna entworfen hatte. Für diese Show ließ er sich 500 Kostüme einfallen, immer wieder in neuen Formen, immer wieder in anderen Farben. Das Auge ist gefordert, all das Schöne, Verrückte, Surreale, Extravagante zu entdecken.

Ja, diese Show reiht sich ein in den Ideenreichtum der Vorgänger-Revuen. Showmacher und verantwortlicher Kreativdirektor Roland Welke spielt selbstverständlich wieder mit der Technik der größten Theaterbühne der Welt. Wie tektonische Platten driftet der Boden auseinander, tun sich Spalten auf, wird das Areal zu einer gewaltigen Seebühne, auf der sich grüne Seerosenblätter wohlfühlen.

Während in vorangegangenen Shows das Ballett schon mal im Nass planschte, Wasserfälle von der Decke schütteten, ist diesmal alles sanfter, leiser, poetischer. Die eigens für die Show komponierte Musik kommt auch wummerig-rockig daher, aber es ist doch immer wieder das Zarte, das die Oberhand gewinnt – nicht nur musikalisch. Emmy-Preisträger Peter Morse schafft mit seinem Lichtdesign jede Menge emotionale Momente und auch beim beeindruckenden Hochleistungssport an Bändern, mit Reifen und an der Schaukel unterm Dach regiert die Poesie.

Bevor das Finale steigt – mit Glimmer und Glitzer, dem silbernen Konfettiregen auf die 60 Tänzer und Tänzerinnen – gibt es zur großen Freude des Publikums die längste Beinreihe der Welt. Die 32 Grazien in Perfektion. Sie sind ein Muss in den Revues. Sie sind Friedrichstadtpalast.