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Kabarett „Postfaktisch“ geht’s um alles

„Darum geht’s nicht“, behaupten die Kabarettisten-Brüder Sebastian und Tobias Hengstmann in ihrem 13. Duo-Programm in Magdeburg.

Von Rolf-Dietmar Schmidt 11.11.2016, 23:01

Magdeburg l Und unter diesen Merkwürdigkeiten durfte die Wahl des amerikanischen Präsidenten, der wohl allen Kabarettisten weltweit die Show gestohlen hat, nicht fehlen. Immerhin, so stellten die beiden Wortakrobaten nicht ohne Hintersinn fest, hatten sie vor acht Jahren ebenfalls Anfang November mit der Wahl Oba­mas schon einmal ein Programm eröffnet. Offenbar hat man sich das in Washington gemerkt und den Termin auch diesmal passend gelegt.

Aber „darum geht’s nicht“, oder anders verstanden: Es funktioniert genau darum nicht. Beide Bedeutungen sind möglich, so dass die Kabarettisten nach dem Gruselclown Trump dann auch sofort aus allen Rohren ihr kabarettistisches Feuer auf all diejenigen eröffnen, die sich im Dschungel der Worthülsen und Unverbindlichkeiten verstecken. Das machen sie sehr geschickt, und wie Kabarett-Übervater Frank Hengstmann als Regisseur meint, „höchst intellektuell“.

Der Protest kommt nicht nur postwendend, sondern auch „postfaktisch“, dem Lieblingswort der Darsteller und Autoren, denn zum einen seien auch die früheren zwölf Programme intellektuell gewesen, und zum anderen kann trotz der vielen Widrigkeiten dieser Welt auch herzhaft gelacht werden.

Und die Menschen zum Lachen zu bringen, gelingt den beiden sehr kurzweilig. Allerdings auch auf Kosten der Rentnerin Ursel, die den Verkehr im Supermarkt mit den durch die bundesdeutschen Parteien besetzten Kassen permanent aufhält. Da ist der Schritt zur Abschaffung des Bargelds nicht weit. Den wird es allerdings in Deutschland mit Sicherheit nicht geben, denn „wie soll sonst die Korruption funktionieren?“.

Da helfen nur die starken Worte der Kanzlerin, die natürlich nicht fehlen darf. Als Puppe, hervorragend von Tobias Hengstmann geführt und gesprochen, hat sie bereits in anderen Programmen für Furore gesorgt. Das war auch diesmal so, wenn sie ganz volksnah mit Verbalinjurien um sich wirft und damit das Publikum begeistert.

Deutschland geht es gut, auch dank der Tatsache, dass es anderen nicht so gut geht. Aber so funktioniert nun mal Kapitalismus, resümieren die Kabarettisten. Und wenn die einen nicht mehr so billig für uns arbeiten wollen, dann ziehen wir eben weiter. Das kann lange so gehen, aber „die Welt ist rund“, kommen die Künstler zu dem Schluss, dessen Folgerung daraus sie ihrem Publikum überlassen.

Es ist bemerkenswert, wie Tobias und Sebastian Hengstmann in einem fast zweistündigen Dialogprogramm, das vollständig ohne Spielszenen auskommt, die Spannung, das Lachen und die Kurzweiligkeit aufrechterhalten. Die kurzen Ausflüge in die Comedy-Szene sind sehr pointiert und lockern die wechselnden Positionen der Gesprächspartner auf, ohne auch nur einmal platt zu wirken.

Der Flüchtlingsfrage wird breiter Raum gewidmet, denn nach all den hysterischen Weltuntergangstiraden ist eine seltsame Stille eingekehrt. Eine fast unheimliche Stille, so dass sich die Kabarettisten fragen: „Was war eigentlich los? Man merkt ja gar nichts.“ Da schließt sich dann schnell die Frage an, worauf denn nun jeder von uns verzichten musste. Eigentlich auf nichts, lautet die Antwort. Und die alten gespendeten Klamotten wollte man ja ohnehin loswerden.

Unverzichtbar allerdings ist die Musik im Programm des Duos. Selbst komponiert, wie die Brüder betonen, was sich auf jeden Fall kostengünstig auf die Gebühren für Musikrechte auswirkt. Dafür heißt es dann im Text höchst ironisch „What a wonderful World“. Aber „Darum geht’s nicht“, oder vielleicht doch?

Karten gibt es u. a. noch für die Vorstellungen am 15., 16. und 27. November, jeweils 19.30 Uhr.