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Theater Terror im Amtsgericht

Am Theater der Altmark hat „Terror“ von Ferdinand von Schirach Premiere. Regisseurin Susanne Schulz spricht über die Inszenierung.

08.12.2016, 23:01

Frau Schulz, das Gericht wird zur Bühne – so wie bei Schirachs Theaterstück. Warum?

Susanne Schulz: Es ist die Entscheidung des Stendaler Theaters gewesen, die Inszenierung im Stendaler Amtsgericht anzusiedeln. Genau wie mein Kollege Alexander Netschajew bin auch ich der Meinung, dass der authentische Spielort überaus spannend ist. Dieser Ort ist ja normalerweise von Realität besiedelt, von Angeklagten, Richtern, Staatsanwälten. Jetzt wird er mit einer Theaterillusion angefüllt. Gerade weil dieses Zusammenspiel von Realität und Illusion interessant und ungewöhnlich ist, wird „Terror“ im Spielplan meines Hauses in Ansbach ebenfalls im Gericht gespielt werden.

„Terror“ ist vielgespielt im deutschsprachigen Raum. Das Stück ist vor allem aber bekannt durch den gleichnamigen Fernsehfilm. Können Sie einen neuen Aspekt einbringen?

Der Fernsehfilm hat den Text teilweise verändert zugunsten von medienwirksamer Spannung, damit aber meiner Meinung auch eine Verflachung der Inhalte bewirkt. Es wurde in erster Linie das Fernsehformat bedient.

Und der Film wurde in Richtung Freispruch gelenkt.

Es ging dort sehr stark um Sympathie und Antipathie. Von dieser einseitigen Einordnung möchte ich mich lösen. Ich bleibe stringent am Theatertext. Wir setzen auf die Fakten und die juristischen Themen. Diese wollen wir für den Zuschauer spannend wie differenziert aufbereiten, so dass er dem Inhalt interessiert folgen und sein eigenes Urteil fällen kann.

Wie wollen Sie die juristische Schwere lösen?

Wir bemühen uns um Klarheit, bringen aber natürlich auch Theatralität und Spannungsmomente hinein, damit der Abend nicht zu einem trockenen juristischen Paragraphengewitter wird. Es gibt Tumulte, dialogischen Schlagabtausch, Streit, Emotion, Berührung und brisante Momente, in denen der Richter sogar eingreifen muss.

Der Text bringt uns den Piloten des Kampfjets, der entscheiden muss, ob er ein von Terroristen entführtes Passagierflugzeug abschießen soll, sehr positiv nahe. Ist das ein Problem?

Ja, weil Schirachs Text den Zuschauer sehr in den Bann dieses jungen Mannes zieht. Wir haben lange darüber diskutiert, wie wir ihn darstellen. Natürlich hätten wir ihn sehr negativ zeigen können, aber dann wäre der Zuschauer auch wieder in eine bestimmte Richtung gedrängt worden. Ich denke, wir haben einen Weg gefunden, um dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, aufgrund von weitgehend objektiven Sachlagen zu einer subjektiven Entscheidung zu gelangen.

Manche Kritiker des Filmes sprachen von Rechtsshow und kritisierten, dass mit Bauchgefühl entschieden werde, wie es im Rechtsstaat nicht sein solle. Teilen Sie die Kritik?

Leider zum Teil ja. Für mich geht es aber gerade um dieses fast unerträgliche Spannungsfeld, in das der Zuschauer hineingezwungen wird. Nämlich mit der Frage, wonach wir handeln sollen in solch einem Extremfall, wenn ein entführtes Flugzeug auf ein ausverkauftes Stadion zurast. Das Bundesverfassungsgericht hatte entschieden, dass der Staat nicht Leben gegen Leben abwägen darf. Sollen wir uns nun an das Gesetz halten oder sollen wir uns an moralischen Werten oder an unserem Gewissen orientieren? Dafür gibt es von der Staatsanwältin im Stück eine eindeutige Antwort.

Befürchten Sie, dass das Publikum gefühlsmäßig urteilt?

Schon, ja. Der Pilot wird oft als Aufgeriebener zwischen dem Gesetz und seiner Verantwortung als Soldat gesehen. Ich persönlich finde, dass wir uns im Extremfall eigentlich nur an einer Sache orientieren können – und das ist das Gesetz. Und das kann sehr schwerfallen in extremen Situationen.  Aber das soll der Zuschauer natürlich für sich selbst entscheiden. Mir geht es nämlich in dieser Inszenierung weniger um einen Freispruch oder eine Schuldigsprechung, sondern vielmehr darum, dass der Zuschauer konfrontiert wird mit der Problematik und konzentriert darüber nachdenken darf. Das ist auch Ziel des Buches. Und das ist die Kraft des Stückes.

 

Die Premiere von "Terror" am 10. Dezember ist ausverkauft. Es gibt aber unter (03931)635777 noch einige Karten für 14. Dezember, 13., 23.und 27. Januar und am 18. Februar.