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Opernpremiere Mit Freude am Possenspiel

Rossinis „Barbier von Sevilla“ bescherte dem Nordharzer Städtebundtheater wie dem Publikum ein riesiges Vergnügen zu Weihnachten.

Von Hans Walter 26.12.2016, 23:01

Quedlinburg l Die fantasiereiche Bühne und die Kostüme des Ausstatters Jakob Knapp stammten aus dem Theater Vorpommern Stralsund-Greifswald-Putbus. Alles auf der Bühne wurde bespielt. Es gab nichts Überflüssiges. Auftrittsorte und Überraschungen pur mit zweietagigen hohen Wänden, Klappen, Türen, Projektionsflächen für Schattenspiel und mit dem Boudoir des reichen Mündels Rosina (Bènèdikte Hilbert).

Ihr alter Onkel Doktor Bartolo (der Erzkomödiant Klaus-Uwe Rein) will sie ehelichen, um sich zu sanieren. „Ein aufgeweckter Liebhaber kommt ihm zuvor und macht sie am gleichen Tag vor der Nase und im Haus des Vormunds zu seiner Frau. Das ist die ganze Geschichte.“ (Beaumarchais) Ein Friseur, der „Barbier von Sevilla“ (Michael Rapke), wird zum umtriebigen Strippenzieher des Komplotts, um gegen ein sattes Salär den Grafen Almaviva (Max An) der Angebeteten zuzuführen.

Es war sängerisch und darstellerisch eine Traumbesetzung! Ohne Gäste, ganz aus dem Ensemble des Städtebundtheaters (Dramaturgie: Susanne Range). Allen voran die Koloratursopranistin Bènèdikte Hilbert, die traumwandlerisch blitzsauber in höchsten Höhen schwebte. Eine bildschöne schlanke Frau, sehr sexy. Dazu der sehr jugendlich wirkende Max An mit weichem lyrischen Tenor, der Bassbuffo Klaus-Uwe Rein und der mannhafte gewitzt-wuselige Michael Rapke mit schönem Tenor. Wie ein Kind, das Freude am Possenspiel hat.

Ausgerechnet Rosinas Musiklehrer Don Basilio (dem Charakterbass Gijs Nijkamp) war der Schmuddelwinter auf die Stimme geschlagen. Er spielte seine Szenen; gesanglich buchstäblich in letzter Minute griff aus Stralsund der Sänger Tye Maurice Thomas zur Rettung der Premiere ein. Anders als damals an der Küste – die Oper wurde auf Italienisch gegeben – musste er am Bühnenrand in der Nordharzer Inszenierung den Text auf Deutsch singen. Vorzüglich! Wohl auch deshalb, weil Thomas den Rhythmus der Arbeit von Susanne Knapp genau kannte.

Die Regisseurin kam sehr gut mit der Übertragung ins Deutsche zurecht. Fast jedes Wort des ausgezeichneten Ensembles war verständlich und sicherte den Zuhörern ungetrübten Komödienspaß – ob bei den Wahnsinnsarien, ob mit den Rezitativen, ob bei den Finales des ersten und zweiten Aktes. Sie verzichtete auf die Verkleidung des von Jan Rozehnal studierten achtköpfigen Männerchores als Soldaten. Stattdessen bildete er eine Brassband, die zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten und Orten slapstickartig ins Geschehen eingriff. Großes Vergnügen!

„Die Menschen maskieren sich nicht, sie sehen nur ziemlich schräg aus“, sagte Susanne Knapp im Volksstimme-Interview. „Viel entscheidender ist, den ganz realen menschlichen inneren Impuls und Trieb zu überhöhen. Die Menschen werden da sehr glaubwürdig.“ Also keine Karikatur, sondern eine große Portion Ironie und enorme Liebe zu den Protagonisten. Die Regisseurin erwies sich damit nach ihrer 2015 mit dem Theaterpreis ausgezeichneten „Rigoletto“-Inszenierung erneut als wichtige Bühnen-Persönlichkeit. Als große Versteherin und Aufzeigerin der innersten menschlichen Beweggründe. Mit großem Spielwitz, der in der Musik Gioacchino Rossinis begründet liegt.

Das Orchester unter Leitung des 1. Kapellmeisters Kari Kropsu spielte „seinen“ Rossini hinreißend! Schnell und schneller, immer transparent. Der Dirigent hielt dabei Orchestergraben und Szene bestens zusammen, vor allem in den quirligen Finales, bei dem das ganze Ensemble zusammen und durcheinander schnattert.

Begeisterter Schlussapplaus. Ein schönes Weihnachtspräsent! Nach der Vorstellung trug ein Paar aus München ins Gästebuch ein: „Wundervolle Inszenierung. Ein wundervolles Theater-Ereignis.“

Weitere Vorstellungen: In Halberstadt am 30. Dezember, 29. Januar und 25. Februar. In Quedlinburg ab 12. März