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Ausstellung Propaganda für die Reformation

Die Ausstellung „Gegen Kaiser und Papst“ am Kulturhistorischen Museum blickt ab 1. September 2017 auf Magdeburg.

Von Grit Warnat 25.07.2017, 01:01

Magdeburg l Nicht nur in Wittenberg, Zeitz, Eisenach, Berlin wird in Ausstellungen an Luther und die Reformation erinnert. Das Kulturhistorische Museum der Landeshauptstadt plant ebenfalls eine Schau und rückt Magdeburg als Vorreiter der Reformation ins Zentrum. Ab 1. September ist sie zu sehen.

Es ist das Jahr 1524. In Magdeburg leben 30.000 Einwohner, so viele, dass man von Metropole reden kann. Die bischöfliche Stadt gehört zur Riege der fünf größten Orte des Alten Reiches. Der Handel blüht, auch, weil die Stadt an der Elbe Zentrum der Handelsbeziehungen zwischen Dresden und Hamburg ist. Zudem gilt das Magdeburger Recht, das sich mit seinen Grundlagen für Freiheit und bürgerliche Selbstbestimmung nach Osteuropa hin ausbreitet.

Am 6. Mai jenes Jahres steht ein armer, alter Tuchmacher neben dem Magdeburger Reiter auf dem Platz vor dem Rathaus. Er bietet verbotene Büchlein zum Verkauf an. In den Heften sind Texte des Predigers Martin Luther abgedruckt und einige seiner Lieder. Der Tuchmacher singt sie auch sogleich. Die Magdeburger sind neugierig, der Pulk um den Tuchmacher wird größer und größer. Dann kommt Bürgermeister Ruppin aus der Frühmesse von der Johanniskirche und sieht die interessierte Menge um diesen einfachen Handwerker versammelt. Er zeigt sich entrüstet und lässt den Tuchmacher festnehmen. Daraufhin versammeln sich bis zu 800 Menschen am Rathaus und wollen die Freilassung des Inhaftierten. So ist es zu lesen bei Friedrich Wilhelm Hoffmann, Geschichte der Stadt Magdeburg, 2 Bände, 1856.

Überliefert ist auch, dass der Bürgermeister dem Willen der Magdeburger nachgeben musste. Letztlich kam der Stadtknecht, der den Tuchmacher angeschwärzt hatte, ins Gefängnis, der Verkäufer der lutherischen Büchlein aber auf freien Fuß.

Für Tobias von Elsner, Kurator der am 1. September beginnenden Reformationsschau im Kulturhistorischen Museum, ist diese Tuchmacher-Begebenheit so etwas wie ein Auslöser der Reformation in Magdeburg. Denn daraufhin, so erzählt der promovierte Historiker, habe es kein Halten mehr gegeben, haben die Ratsherren entschieden, dass über die Kirchenvorstände Martin Luther in die Stadt einzuladen sei.

Erstmals predigte Luther am 24. Juni 1524 in Magdeburg und forderte eine Erneuerung der Kirche. Mehrfach war der Theologe in der Stadt, die bis dahin rein katholisch geprägt war. Noch im selben Jahr wählten die sechs Altstadtgemeinden evangelische Geistliche zu ihren Pfarrern. Vor allem die bürgerliche Oberschicht, so sagt der Kurator, sei offen für Luthers Ideen gewesen.

Diese Anfänge des Aufbruchs, des Hinwendens zu Luthers Glaubenslehre werden der Einstieg in die Ausstellung „Gegen Kaiser und Papst. Magdeburg und die Reformation“. Aufgegriffen werden soll Magdeburgs Geschichte als Prototyp der Stadtreformation, als Brennpunkt des Glaubenskampfes und als Widerstands- ort gegen Kaiser und Papst.

Vier Abteilungen sind geplant. Unter anderem werden die reformatorischen Anfänge gezeigt sowie der Schmalkaldische Bund, einen Beistandspakt der evangelischen Stände. Eine weitere Station thematisiert die Stadt als Zufluchtsort vieler evangelischer Theologen, deren Schriften von dort aus verbreitet wurden und Magdeburg als „Herrgotts Kanzlei“, als Propagandazentrum der Reformation, bekannt machten. Unzählige Flugschriften sind gedruckt worden. Tobias von Elsner: „Man konnte sich austauschen. Es gab jede Menge Information. Das ist fast wie heute, wenn man online ist.“ Wer nicht lesen konnte, dem wurde vorgelesen oder vorgesungen. Von Elsner spricht vom Schriftlichen, das sich auch immer mit der mündlichen Propaganda verbunden habe.

Kaiser Karl V. führte einen Belagerungskrieg, doch die Stadt blieb dem evangelischen Glauben treu. Alles endete mit einer glimpflichen Kapitulation. „Für einen Moment der Weltgeschichte war Magdeburg im Brennpunkt“, sagt Tobias von Elsner, „nämlich als Verteidiger der reinen lutherischen Lehre.“

Die Ausstellung endet mit dem Jahr 1577, als in Magdeburg in der sogenannten Konkordienformel die geltenden lutherischen Meinungen in einem gemeinsamen Bekenntnis festgelegt worden sind.

Das städtische Museum zeigt 250 Exponate aus den eigenen Sammlungen und von 42 Leihgebern. Darunter sind originale Lutherhandschriften, Drucke und Reproduktionen von Flugschriften, Gemälde, Waffensteine, ebenso Waffen aus dem 16. Jahrhundert bis hin zu den Amputationssägen, um die Schrecken des damaligen Belagerungskrieges zu verdeutlichen.

„Gegen Kaiser und Papst“ vom 1. September bis 28. Januar 2018 im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg.