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Ausstellung Vom Umgang mit der Luther-Erblast

Der deutsch-russische Maler wünscht sich eine kritische Auseinandersetzung mit Martin Luther. Besonders mit den antijüdischen Schriften.

08.11.2016, 23:01

Wittenberg/Berlin (dpa/jq) l Die geplante Schau „Luther und die Avantgarde“ ist nach Ansicht des Malers Yury Kharchenko eine Chance, das Leben des Theologen auch kritisch zu hinterfragen – insbesondere sein Verhältnis zum Judentum. „In meinem Beitrag zur Ausstellung setze ich mich mit der Nähe von Teilen der Kirche zum Nationalsozialismus auseinander“, sagte Kharchenko. Er wurde 1986 in Moskau geboren und lebt in Berlin, hat Vorfahren mit jüdischen Wurzeln und ist der jüngste der rund 60 Künstler, die an der Schau mitwirken.

Kharchenko wuchs in Dortmund auf. Nach seinem Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf lebt und arbeitet er mittlerweile vor allem in Berlin. 2016 stellte er unter anderem unter dem Titel „Wege des Unsichtbaren“ im Jüdischen Museum Westfalen in Dorsten seine Bilder aus.

Eins seiner Bilder ist inspiriert von dem Haftfoto von Herschel Grynszpan. Damit nimmt er die Geschichte seines Großvaters auf, der den Namen Grünszpan ablegte, um eine mögliche Verwandtschaft zu Herschel Grynszpan zu verbergen. „Mein Vater behielt den neuen Namen bei, denn auch in der Sowjetunion der 70er Jahre gab es einen versteckten Antisemitismus“, sagte Kharchenko der „Jüdischen Allgemeinen“. In seinem Beitrag zur Ausstellung setzt sich Kharchenko mit der Nähe von Teilen der Kirche zum Nationalsozialismus auseinander. Er sieht darin die Chance, das Leben des Theologen Martin Luther (1483 – 1546) auch kritisch zu hinterfragen, insbesondere sein Verhältnis zum Judentum.

Dass Luther dreckige Witze machte, sexistisch war und ein schlimmer Antisemit, der wilde Hetzschriften gegen Juden verfasste, ist weithin bekannt. Dies sei aber auch eine „komplizierte Erblast für die Protestanten“, sagt die Oxford-Historikerin und Luther-Biografin Lyndal Roper.

Luther hatte nach Erkenntnissen von Historikern vor allem zum Ende seines Lebens hin antijüdische Schriften verfasst. Nach Ansicht des Malers Kharchenko nutzten die Nazis Luthers antijüdische Schriften für ihre Propaganda aus.

Luther wurde am 10. November 1483 geboren. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden im nationalsozialistischen Deutschland Synagogen sowie Wohnungen und Geschäfte von Juden angezündet und zerstört. Die Pogromnacht steht für den Beginn der systematischen Verfolgung und Ermordung von Millionen von Juden durch die NS-Diktatur.

„Luthers Verhältnis zu den Juden war seine persönliche Haltung, weil er sie nicht zu seinem Glauben bekehren konnte. Man kann nicht das, was die Nazis mit den Juden gemacht haben, eins zu eins mit Luther in Verbindung setzen“, sagte Kharchenko. Dies bedürfe einer umfassenden Auseinandersetzung, etwa mit Mitteln der Kunst.

Die Ausstellung „Luther und die Avantgarde“ ist vom 19. Mai bis zum 17. September zu sehen – zeitgleich in Wittenberg sowie in der Berliner St. Matthäus-Kirche und in der Karlskirche in Kassel. Veranstalter des Projekts ist die Stiftung Kunst und Kultur in Zusammenarbeit mit dem Verein Reformationsjubiläum 2017.

Die Ausstellung werde durch die Unterstützung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ermöglicht, hieß es. An der Exposition, die zum Reformationsjubiläum 2017 an insgesamt drei Orten in Deutschland zu sehen ist, wirken unter anderem auch der Menschenrechtler Ai Weiei, der Maler und Bildhauer Markus Lüpertz und Ólafur Elíasson, Experimental- und Naturkünstler mit isländischen Wurzeln, mit.

Zentraler Ausstellungsort ist das frühere Gefängnis der Stadt Wittenberg.

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