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Ballenstedt Ein Atelier wird zur Bühne

Das Künstlerehepaar Brockhaus hat sich die Schlossmühle Ballenstedt zum Leben und arbeiten ausgesucht.

Von Grit Warnat 21.07.2017, 01:01

Ballenstedt l Schmetterlinge tanzen durch die Luft. Nahrung finden sie im liebevoll angelegten Garten gleich neben der 1785 erbauten Schlossmühle. Neben Plastiken aus Stein und Matall blüht und grünt es. Lavendel duftet und die Tomaten reifen in der Sonne. Genau diese Idylle und dieses Leben in und mit der Natur haben sich die Familienmenschen Esther und Marcus Brockhaus gewünscht, als sie von Halle nach Ballenstedt zogen. 2005 war das. Beide hatten gerade ihr Studium an der Hallenser Kunsthochschule Burg Giebichenstein beendet und sahen in der Schlossmühle mit dem großen Atelier und der Schmiede in der ehemaligen Radkammer beste Bedingungen fürs bildhauerische Arbeiten. Sie erhielten den Zuschlag von der Stadt, die das Objekt ausgeschrieben hatte.

Dass hier zwei Künstler eingezogen sind, ist deutlich sichtbar. Metall- und Steinarbeiten grüßen schon am Weg vor dem Haus. Esther Brockhaus ist Steinbildhauerin, studierte beim renommierten Professor Bernd Göbel, ihr Mann Marcus, der gelernte Schmied, studierte im Fachbereich Metall.

Seine Diplomarbeit von der Burg liegt im Sonnenlicht im weitläufigen Garten. „Gesten“ nannte er die mehrteilige Kunst. Das Werk ist aus Edelstahl. Es passe eigentlich nicht so recht zum idyllischen Ambiente der Schlossmühle, sagt der Erschaffer. Zu urban, zu modern für den Naturraum. Seine neueren Arbeiten zeigen da viel eher, dass die Faszination Natur und das Leben mitten im Park im künstlerischen Arbeitsprozess immer stärker die Oberhand gewonnen haben. Blumenartige Stelen ragen in den Himmel. Sie sind in Korrespondenz zum Ort entstanden. Immer wieder spiegele sich in den neueren Arbeiten das heutige Leben in und mit der Natur ab, sagt der gebürtige Zerbster.

Das große Atelier aber ist wie leergefegt. Nicht nur, weil die Brockhaus’schen Metallarbeiten auf mehreren Ausstellungen zu sehen sind, sondern auch, weil in der sommerlichen Zeit einmal im Monat der künstlerische Arbeitsbereich zur Bühne wird und sich die Schlossmühle mit Besuchern füllt. Am vergangenen Sonntag war Matinee-Zeit, viele Gäste kamen zu mediterranen Liebesliedern aus Renaissance und Frühbarock. Dann bleibt die Idylle, die Ruhe aber nicht ganz. „Wir wollen uns hier nicht hermetisch abriegeln“, sagt Esther Brockhaus. „Von Anfang an haben wir unser Haus geöffnet. Wir wohnen ja auch in einem öffentlichen Park.“ 2006 hat das Ehepaar erstmals zur Matinee eingeladen. Meistens gab es in all den Jahren Musik, manchmal auch Theater und Kleinkunst. Dieser Ort mit seinem besonderen Charme und gepaart mit Kunst zieht auch Auswärtige an. „Ich finde, bei uns schaue ich in glückliche Gesichter“, sagt die Gastgeberin. Und dieses Gefühl sei wohl nicht nur auf das Ambiente zurückzuführen, sagt sie, sondern auch auf die Nähe zu den Künstlern beim und nach dem Konzert. Ist der Auftritt vorbei, gibt es Gespräche. „Die bereichern auch uns immer wieder.“

Sehr bereichernd findet sie auch ihre momentane Arbeit. Seit einem Jahr ist die Bildhauerin an der Waldorfschule in Thale und zeigt Kindern unter anderem, wie man Stein haut und mit Ton arbeitet. Dafür hat sie eine steinbildhauerische Ruhepause eingelegt. Auch ihr Mann ist an der Schule: Bronzeguss, Töpfern, Buchbinden, Kunstgeschichte. Die Eltern von vier Kindern legen noch eine pädagogische Ausbildung ab. „Trotzdem bleibe ich eine Bildhauerin, die unterrichtet“, sagt Esther Brockhaus.

Beide räumen dieser Tage das Atelier wieder ein. Was immer verbleibt, ist eine Metallarbeit, die wie ein großes Vogelnest an der Wand hängt. Marcus Brockhaus nennt sie auch sein „Nest“. Immer wieder führt er Zweige aus Metall hinzu. „Ich hoffe, es wird nie fertig“, sagt er, der sich eh schwertut damit, dass eine Arbeit beendet werden muss. „Der Anfang ist leichter für mich“, sagt er und blickt durch das Atelierfenster hinaus in das dichte, satte Grün des Parks. Hier in dieser Ruhe könne er nachdenken, hinterfragen, auch zweifeln. „Das macht Kunst aus“, sagt der Metallbildhauer.

Nächste Matineen sind am 13. August „Mein Paganini“ mit dem Dresdner Geiger Florian Mayer und am 24. September „Konzertante Musik, die rockt“ mit Jochen Roß, Mandoline (Hamburg) und Malte Vief, Gitarre (Leipzig). Beides beginnt um 11 Uhr. Der Eintritt ist frei.