Neuanfang mit alten Schätzen

Brocken l Klar, ein neues Album. Da ist so ein Konzert für Radio-SAW-Hörer auf dem Brocken logischerweise ein Promotiontermin. Das Frischwerk wird hoch- und runtergespielt, dazu gibt‘s die zwei größten Knüller der bisherigen Karriere, fertig. Nicht bei Clueso. Dem Typen, der auch nach vier Top-Drei-Alben noch im lauschigen Erfurt wohnt. Der gern mal ein spontanes Konzert im Café oder auf einer Brücke gibt.

Und so überrascht er die 250 Fans auf ihren Stühlen im Brockenwirt zum Auftakt mit einem Lied, das kaum wer kennt. Weil es auf keinem Album zu finden ist. Ein reiner Live-Song, geschrieben für eine Dritte-Welt-Initiative. Als Nächstes stimmt er „Pizzaschachteln“ an – eine zwölf Jahre alte Nummer. Voll von Hip-Hop. Herrlich.

Überhaupt singt Clueso an diesem Mittwochabend nur, wonach ihm gerade der Sinn steht. „Wir lieben es, Songs aufzuschreiben und dann zu spielen, was wir wollen“, sagt er zwischendurch. Mit „Wir“ meint er sich und Tim Neuhaus – Schlagzeuger, Gitarrist und seine musikalische rechte Hand. Neuhaus ist ein Überbleibsel aus Cluesos alter Band. Von der hat er sich gerade getrennt, genau wie von seinem Management. Der Titel seines aktuellen Albums „Neuanfang“ ist also Programm.

Trotzdem strotzt die spontane Setlist vor Schätzen aus alten Zeiten. „Keinen Zentimeter“, „Love The People“ und „Chicago“ mit Knicklicht-Begleitung aus dem Publikum. Dazu noch ein bisschen was von der vergangenen Platte, „Freidrehen“ zum Beispiel. Und, selbstverständlich: „Cello“. Bei dieser Nummer zeigt Clueso in vielen Facetten, was er und seine neue Band live draufhaben: Der Song kommt daher in einem Reggae-Gewand, das der Erfurter noch fix beim Soundcheck gewebt hat. Instrumental überzeugt ein ausgedehntes Gitarrensolo. Im Text wird originell improvisiert: „Und heute wohnst du auf dem Brocken, und dein Besen steht im Keller. Komm hol das Ding doch noch mal raus und flieg so schön wie früher.“

Gegen Ende gibt es auch etwas von der neuen Platte: „Erinnerung“ und „Neue Luft“. Irgendwann bekommt Clueso dann ein Zeichen: Noch fünf Minuten. Gut, dann noch ein Titel, den fast keiner kennt. Ein Coversong. Das Original stammt vom irischen Musiker Glen Hansard. Clueso steht in seiner Version zum Schluss auf einem Zuschauerstuhl. Als er unter Jubel von der Bühne geht, hat er nicht einmal den Titelsong zu „Neuanfang“ gespielt. Ist aber gar nicht schlimm. Der läuft ohnehin im Radio rauf und runter.