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Bruderzwist: Die Manns und der Erste Weltkrieg

20.03.2014, 17:42

Lübeck - Sie hassten sich und sie liebten sich. Die Brüder Heinrich und Thomas Mann durchlebten jahrzehntelang ein Wechselbad der Gefühle füreinander.

Schon als Kinder hätten die beiden mitunter über ein Jahr lang nicht miteinander geredet, schrieb der Essayist und Heinrich-Mann-Preisträger Michael Maar im Januar 2011 in der Wochenzeitung "Die Zeit".

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges am 1. August 1914 führte zum Bruch zwischen den beiden Schriftsteller-Brüdern, der erst acht Jahre später mühsam wieder gekittet werden konnte. Privat redeten sie in der Zeit kein Wort mehr miteinander. Öffentlich stritten sie in ihren Publikationen dafür umso heftiger miteinander.

"Bruderkrieg. Heinrich und Thomas Mann im Ersten Weltkrieg" lautet der Titel einer Ausstellung, die an diesem Freitag im Lübecker Buddenbrookhaus eröffnet wird und bis 30. August dauert. In zwei kleinen Räumen im ersten Obergeschoss des Hauses zeigen Plakate mit Textauszügen die diametral entgegengesetzten Positionen der Brüder. Ergänzt werden sie durch Erstausgaben, Briefe und Originalpostkarten der beiden Brüder.

Im Nachbarraum sind von zwei Schauspielern gelesene Originalzitate von Heinrich (1871-1950) und Thomas Mann (1875-1955) zu hören, dazu werden historische Bilder von jubelnden Menschen und von den Schlachtfeldern gezeigt. "Damit wollen wir die Vergangenheit sinnlich erfahrbar machen und sie etwas näher in die Gegenwart holen", sagt Ausstellungskuratorin Käte Richter.

Am Anfang des Streits stand das vernichtende Urteil Thomas\' an der literarischen Entwicklung seines Bruders. "Es ist (...) die Begierde nach Wirkung, die Dich corrumpirt", schreibt Thomas im Dezember 1903 nach dem Erscheinen seines Romans "Buddenbrooks" an Heinrich. Der konterte, Thomas tauche "allzu wohlig in die nationale Empfindungsweise ein".

"Es war wohl die spezielle Mischung aus konträren politischen Haltungen und tiefen persönlichen Verletzungen, die die in der Öffentlichkeit ausgetragenen Auseinandersetzungen so heftig machten", sagt der Leitende Direktor der Lübecker Museen, Hans Wißkirchen.

Tatsächlich hätten die politischen Überzeugungen der Brüder kaum unterschiedlicher sein können. Heinrich verabscheute die Untertanenmentalität im wilhelminischen Deutschland, die er in Werken wie "Professor Unrat oder das Ende eines Tyrannen" (erschienen 1905) und "Der Untertan" (entstanden 1904-1914, erschienen 1918) karikierte und kritisierte. Er sah in der Republik Frankreich mit ihrer Tradition von Freiheit und Gleichheit den Gegenentwurf zum wilhelminischen Deutschland, das er reaktionär nannte.

Thomas dagegen verteidigte vehement den Machtanspruch des deutschen Kaiserreiches und blieb dieser Haltung bis in die frühen Jahre der Weimarer Republik treu. Noch im Oktober 1918 schrieb er in seinen "Betrachtungen eines Unpolitischen", er sei überzeugt, dass der Obrigkeitsstaat die dem deutschen Volk angemessene Staatsform sei und bleibe. Bei Kriegsausbruch 1914 hatte er vom "großen, grundanständigen, ja feierlichen Volkskrieg" gesprochen.

"Am Streit der beiden Brüder über den Ersten Weltkrieg, über Monarchie und Republik, lassen sich die existenziellen Mentalitätsumbrüche, die eine ganze Generation betrafen, beispielhaft ablesen", sagt Wißkirchen.