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Germanist und Autor Claudio Magris wird 75

09.04.2014, 23:07

Rom - Claudio Magris, italienischer Schriftsteller und Germanist, gilt als brillanter Autor und hervorragender Kenner Deutschlands.

Der Kämpfer für ein vereintes Europa und scharfe Kritiker der Allüren Silvio Berlusconis ist ein vielfach geehrter Grenzgänger zwischen den Kulturen. An diesem Donnerstag wird Magris, der in den letzten Jahren mehr Preise einheimste als neue Bücher veröffentlichte, 75 Jahre alt. Im Jahr 2011 erschien von ihm auf Deutsch "Das Alphabet der Welt: Von Büchern und Menschen". Er wurde wiederholt als möglicher Literaturnobelpreisträger genannt.

Magris war 2009 der ideale Träger des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Dennoch war das Echo nicht nur positiv, als ihm die hohe deutsche Auszeichnung zuerkannt wurde. Kritiker meinten, sein Ideal von einem Europa der Vielfalt sei angesichts der aufflackernden Nationalismen und der wachsenden Europamüdigkeit wenig zeitgemäß.

Doch Magris macht vehement Front gegen populistisches und extremes Denken. "Was mich beängstigt, das sind die vielen Zeichen von Populismus und von Nationalismen", sagte er der dpa mit Blick auf die Europawahlen im Mai. Diese seien Symptome einer Krise. "Dabei ist Europa doch unsere einzige mögliche Zukunft; ich befürchte schlimme Wahlergebnisse." Er hoffe, die Politik werde danach nicht den Kopf verlieren. Deutschland sei dabei fast das einzige Land, in dem es nahezu keine Extremisten gebe, lobte Magris: "Es ist das einzige europäische Land, das ein normales demokratisches Leben führt." Wenn Deutschland andere in Europa "irritiere", stecke dahinter auch Neid.

Weiter Kolumnist des angesehenen "Corriere della Sera", machte er in einer Analyse kürzlich aus, wer die Basis für den Aufstieg der Marine Le Pen in Frankreich gelegt hat: Der Sozialist François Mitterrand, der aus taktischen Motiven die extreme Rechte salonfähig machte. Und wie vielschichtig er intellektuell ist, das zeigte Magris unlängst in einem "La Stampa"-Interview zu der "unsterblichen" Gattung Roman.

Magris hat seinen Traum auch noch lange nicht aufgegeben, wie er in seiner Rede in der Paulskirche 2009 deutlich machte. "Auf Europa wartet die große und schwierige Aufgabe, sich den neuen Kulturen der "neuen Europäer" aus der ganzen Welt zu öffnen, die es durch ihre Mannigfaltigkeit bereichern." Er beklagte einen neuen Populismus und Barrieren, der "Demokratien ohne Demokratie" schaffe. Und Magris meinte damit ganz Europa, also nicht nur sein Heimatland Italien.

Der Literaturprofessor ist von Geburt an ein Grenzgänger: Er kommt aus der lange umkämpften Grenzstadt Triest - der Kreuzung der italienischen, slawischen und deutschen Kultur. Fünf Jahrhunderte lang gehörte Triest zum Herrschaftsbereich der Habsburger. Wie kaum ein anderer Publizist hat er in seinen intellektuell bestechenden Essays und Romanen das Verbindende der Grenzen in Europa beschrieben. Damit ist Magris auch ein versierter Wanderer zwischen Literatur und Philosophie geworden, ein Flaneur durch die europäische Kultur.

Magris, dessen Mutter Deutsch konnte und der später in Turin und Freiburg studierte, wurde mit seiner im Alter von 24 Jahren geschriebenen Doktorarbeit "Der habsburgische Mythos in der österreichischen Literatur" (1963) schlagartig bekannt. Auf seiner Fahrt entlang der Donau ("Donau. Biographie eines Flusses") beschwor er in den 1980er Jahren auf den fast 3000 Kilometern von der Quelle bis zur Mündung - und vor dem Fall des Eisernen Vorhangs - das alte Mitteleuropa. Sein Roman "Blindlings" gilt ebenfalls als Erkundung der schwierigen europäischen Seele von der Antike bis zur Gegenwart.

Auch in die Politik seines Landes hat sich der Vater zweier Kinder immer wieder eingemischt. Von 1994 bis 1996 saß Claudio Magris als unabhängiges Mitglied eines Linksbündnisses für die Grenzregion Triest im römischen Senat. Aus Enttäuschung über Berlusconi und dessen Politik gründete er im Jahr 2002 mit Umberto Eco und anderen Persönlichkeiten aus Kunst und Kultur die Vereinigung "Libertà e Giustizia" (Freiheit und Gerechtigkeit). Als Essayist und Kolumnist des "Corriere" nimmt er innen- wie außenpolitisch Stellung.

Für seine Leistung erhielt der Sohn eines Versicherungsbeamten und einer Lehrerin zahlreiche Auszeichnungen. Darunter sind der Prinz- von-Asturien-Preis (2004) und der Österreichische Staatspreis für Europäische Literatur (2005). Vier Jahre später folgte dann der europäische Essay-Preis Charles Veillon und vor zwei Jahren das Große Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik.