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Michael Wildenhain: Einst Hausbesetzer, noch immer radikal

11.03.2015, 13:05

Berlin - Berlin-Schöneberg, Anfang der 80er Jahre. Eine Gruppe von Aktivisten besetzt das Haus in der Mansteinstraße 10. Einer von ihnen ist Michael Wildenhain. Heute ist er 56 Jahre alt und erfolgreicher Autor, mehrfach ausgezeichnet.

In dem Haus in der Mansteinstraße befindet sich nun ein Wohn- und Arbeitskollektiv, es hat die Zeiten irgendwie überdauert. Wie die Figuren aus Wildenhains jüngstem Roman "Das Lächeln der Alligatoren".

Es geht um Terrorismus, die Ereignisse erinnern an den Deutschen Herbst. Da ist der Protagonist, der erfahren muss, dass seine Geliebte, Marta, eine völlig andere ist, als er glaubte. Sie erschießt seinen Pflegevater. Viele Jahre später trifft er sie wieder. Dann sagt Marta: "Heute fliegen Flugzeuge in Hochhäuser, meine Zeit ist vorbei." Sie ist aus der Geschichte gefallen. Wie die Leute, die irgendwann bei Wildenhains Lesungen im Publikum saßen. "Als ich mein letztes Buch geschrieben hatte, hatte ich diverse Diskussionsveranstaltungen und da waren Leute darunter, die waren für Jahrzehnte abgetaucht", erzählt er. "Und die haben gesagt: "Ach weißte, ich war ein Gespenst, ich war aus einer anderen Zeit.""

Das Politische ist in seinen Werken immer präsent. Wildenhain studierte Wirtschaftsingenieurwesen und Philosophie zu einer Zeit, als die Mensatische mit Flugblättern gedeckt waren. In der Hausbesetzerszene spielen seine ersten Erzählungen "zum beispiel k.". (1983) und "Prinzenbad" (1987). Sein Debütroman "Die kalte Haut der Stadt" von 1991 dreht sich ebenfalls um die autonome Szene Berlins. Und auch in seinen Theaterstücken setzt er sich mit Radikalität auseinander. 2007 brachte er die Geschichte von Rudi Dutschke auf die Bühne.

Und nun wieder der Deutsche Herbst, dem er sich schon in einem anderen Roman widmete. Ist das Thema nicht eigentlich auserzählt? Nein, sagt Wildenhain. Es gebe nur eine bestimmte Interpretationshoheit. "In dem Maße, wie die Ereignisse immer mehr zur Geschichte werden, desto mehr hat man vielleicht auch Platz für andere Interpretationen." Und: "Das Lächeln der Alligatoren" allein auf den Deutschen Herbst zu beschränken, sei zu verkürzt. "Die Zeitgeschichte ist nur eine Folie, auf deren Hintergrund das Ganze spielt."

Vor zweieinhalb Jahren trat Wildenhain in die Linkspartei ein, weil es einen Aufruf aus dem außerparlamentarischen Spektrum gab. "Da hat mich ein Kollege aufgefordert, und ich dachte: Klingt wie ein guter Moment", sagt er. Aber der Neuanfang, den er damit verbunden habe, sei nicht eingetreten. Heute wohnt er auf der "Roten Insel", einem Kiez in Schöneberg, dessen Bewohner traditionell links waren. Das Haus in der Mansteinstraße 10 liegt nicht weit von seiner Wohnung entfernt. Eine Erinnerung an alte Zeiten.

- Michael Wildenhain: "Das Lächeln der Alligatoren", Klett-Cotta Verlag, ISBN 978-3-608-93973-6, 19,95 Euro.