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Hochaktuell und politisch: Martin Walkers "Provokateure"

19.05.2015, 13:24

Zürich - An dieser Nuss hat der erfahrene Chef de police Bruno aus dem Périgord-Städtchen-Saint Denis heftig zu knacken: Was haben ein schwer misshandelter fremder toter Mann und ein einheimischer autistischer Junge, der anscheinend im Dienste des Dschihad stand, miteinander zu tun?

Martin Walker, Schöpfer der beliebten Krimireihe um Bruno, holt mit seinem neuen Buch "Provokateure" zum siebten Schlag aus und ist dabei so aktuell und politisch wie noch nie.

Die übel zugerichtete Leiche des Unbekannten, die am frühen Morgen am Ortsrand entdeckt wird, schlägt dem feinsinnigen Polizisten schwer auf den Magen, denn die Foltermerkmale verraten Methode. Schon bald ist klar, dass der Fremde ein Undercover-Agent war, der in der benachbarten islamischen Gemeinde und Moschee einen Pool zur Radikalisierung junger Muslime vermutete. Nahezu zeitgleich sucht in Afghanistan ein völlig verstörter junger Mann um Hilfe bei den französischen Truppen. Der als geistig verwirrt eingestufte Sami will zurück nach Hause, ins Périgord.

Die Rückführung gelingt, wenn auch die Zukunft des Jungen ungewiss ist: Weiß doch niemand, ob er als Freund oder Feind einzustufen ist. Sami hatte die Schule jener Moschee besucht, die der ermordete Agent ins Auge gefasst hatte. Bruno, der als Ortskundiger und Bekannter von Sami und seiner Pflegefamilie in die groß angelegte und überstaatliche Aufklärung einbezogen wird, sieht sich mit politischen Verwicklungen konfrontiert, von denen er sich nie hätte träumen lassen, dass diese einmal seine beschauliche Heimat erreichen könnten.

Saint-Denis gerät auch wegen einer anderen, jedoch positiven Geschichte, in den Fokus der Öffentlichkeit. Hier hatten während der Nazi-Besetzung und des Vichy-Regimes mutige Einwohner ein jüdisches Geschwisterpaar versteckt, das sich jetzt, Jahrzehnte später, der Gemeinde im großen (finanziellen) Rahmen erkenntlich zeigen will. Auch hier ist Bruno involviert, was ihm allerdings mehr Zeit abfordert, als er eigentlich hat. Ganz zu schweigen von der Gefahr, in die er sich wegen seines Engagements für Sami befindet, und die er auf die jüdische Familie übertragen könnte.

Als Martin Walker den siebten Fall für seinen Chef de police konstruierte, ahnte er noch nicht, dass sein neuer Roman schon bald von einer grausamen Wirklichkeit eingeholt werden würde. Denn das Attentat auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" am 5. Januar dieses Jahres in Paris belegt einmal mehr, dass Europa keine Insel ist und von dem gewaltigen Erdbeben in der muslimischen Welt nicht unberührt bleibt. Es sei ihm einfach nicht möglich gewesen, in Zeiten, wo sich die Welt so radikal verändere, einen Roman zu schreiben, ohne Fragen zum Terrorismus aufzuwerfen, sagte Walker in einem Zeitungsinterview.

Das ist durchaus nachvollziehbar, vor allem für einen politischen Journalisten, der 25 Jahre lang für die britische Tageszeitung "The Guardian" geschrieben hat, bevor er sich im Périgord niederließ. Hier widmet sich der Schotte neben den Geschichten um Bruno auch mit viel Leidenschaft der berühmten Küche seiner Wahlheimat, die er stets seinen Lesern schmackhaft macht.

So gibt es auch in "Provokateure" wieder Feines aus Topf und Pfanne oder vom Grill zum Nachkochen, was durchaus mit Walkers realitätsnahen und grausamen Thematik vereinbar ist. Ebenso das unkonventionelle Liebesleben seines Polizisten. Denn die schönen Seiten des Lebens schaffen genau die Balance, die Walkers Romane so liebens- und lesenswert machen.

- Martin Walker: Provokateure. Diogenes Verlag Zürich, 426 Seite, 23,90 Euro, ISBN 978-3-257-06928-0.