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Comedy Stadelmann: "Schuld ist Markus Lanz"

Der Salzwedler Comedian Ingmar Stadelmann hat einen Roman geschrieben. Er spielt zur Wendezeit.

Von Marco Heide 16.05.2017, 01:01

Salzwedel l Anlässlich der Veröffentlichung seines ersten Buches spricht Comedian Ingmar Stadelmann, der aus Salzwedel stammt, im Interview über den Roman.

Ihr erstes Buch heißt Rübermachen. Sie selbst sind aus dem beschaulichen Salzwedel nach Berlin „rübergemacht“. Erzählt Ihr Debütroman auch ein Stück weit Ihre Lebensgeschichte?

Ingmar Stadelmann: Naja, es geht in „Rübermachen“ um eine Familie Namens Günthersens, die natürlich überhaupt nichts mit der Familie Stadelmann zu tun hat. Die Günthersens leben in Sandelshausen, was natürlich überhaupt gar nichts mit meinem Geburtsort Salzwedel zu tun hat. Ähnlichkeiten sind natürlich total zufällig. Aber ohne Quatsch: Wirklich autobiografisch ist es natürlich nicht. Das verhindert schon der Erzähler! Die Geschichte wird erzählt aus der Sicht eines Rosella-Sittichs, den die Familie quasi 1989 statt eines Begrüßungs-Hunnis geschenkt bekommt. Ich hab das Buch auch nicht alleine geschrieben, sondern zusammen mit meiner Schwester Juliane. Ehrlich gesagt habe ich überhaupt keine Ahnung, wie man einen Roman schreibt. Sie glücklicherweise schon! Sie hat das gelernt.

Bis zu Ihrem Abitur haben Sie in der Altmark gelebt. Inwieweit spielt Salzwedel in dem Roman eine Rolle?

Ok, also Sie haben mich. Natürlich spielt Salzwedel eine Rolle für dieses Buch. Alles, was die Kinder in diesem Buch erleben, habe ich im Prinzip so oder so ähnlich gemacht. Insofern war das Sammeln der Geschichten für mich und meine Schwester eine wirklich schöne Zeitreise und wir haben viel und laut gelacht. Zeitreise ist insgesamt ein gutes Wort für dieses Buch. Wie absurd die Jahre von 1989 bis Mitte der 90er waren, wird einem da sehr bewusst.

Gibt es Anhaltspunkte, an der man die Stadt oder Personen wiedererkennen kann?

Personen eher nicht. Das ist schon alles fiktiv. Aber jeder hat doch diesen einen Verwandten gehabt, der schon „rübergemacht“ hatte und man selbst saß immer noch in der Rest-DDR und überlegte, was man denn nun am schlausten macht. Bleiben und auf Besserung hoffen? Die Chance der offenen Grenze nutzen und ins Ungewisse gehen? Das ist ja aus heutiger Sicht alles total eindeutig und klar, aber das war es für die Menschen damals ganz und gar nicht. Es war überhaupt nicht genau abzusehen, wie es weitergeht. Historisch gesehen sind wir alle ganz schöne Glückspilze gewesen. Das haben unsere Gespräche mit Freunden und Verwandten über diese Zeit sehr deutlich gezeigt.

Hatten Sie Integrationsprobleme, als Sie von Salzwedel nach Berlin gezogen sind?

Oh, das hat glaube ich jeder! Berlin ist ja schon etwas sehr, sehr anderes als Baumkuchen-City. Aber in Berlin muss sich halt jeder integrieren. Auch die Deutschen.

Sie haben das Buch gemeinsam mit Ihrer Schwester geschrieben. Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Wer war die treibende Kraft hinter dem Projekt?

Eigentlich ist Markus Lanz Schuld an dem Buch. Ich hatte einen Talkshow-Auftritt bei ihm und er fragte mich hinterher in einem persönlichen Gespräch, wie das denn war als Kind in der DDR geboren zu sein und als Jugendlicher in einer völlig anderen Welt zu leben. Und ich muss zugeben: Darüber hatte ich vorher noch nie nachgedacht! Das war für mich alles völlig normal gewesen. Aber er hatte recht, da gab es wahnsinnig viel zu erzählen und so habe ich das ganze Projekt angeschoben. Wobei ich schon sagen muss, dass ich ohne meine Schwester wahrscheinlich immer noch dran sitzen würde. Sie hat das am Ende fertiggemacht.

Auf der Bühne sind Sie normalerweise Einzelkämpfer. Wie war es, mit jemandem gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten – und dann noch mit Deiner eigenen Schwester?

Ach das war toll! Wir sind ja schon sehr unterschiedlich. Sie viel intellektueller im Umgang mit Themen und Texten durch ihre Theatererfahrung. Ich hingegen immer auf der Jagd nach Pointen und dem Moment, der das Publikum irritiert und zum Denken bringt. Dass wir da beide unsere Stärken einbringen konnten, war ein Segen und hat am Ende etwas erschaffen, worauf ich sehr stolz bin.

Haben Sie sich für dieses Projekt gezielt Ihre Schwester als Partner ausgesucht und würden Sie mit ihr noch mal ein Buch schreiben?

Unser Traum ist mit dem Buch noch nicht ganz fertig. Heimlich fantasieren wir von einem Drehbuch und einem „Rübermachen“-Film. Schweighöfer wäre doch ein toller Rosella-Sittich!

Warum erzählen Sie die Geschichte aus der Perspektive eines Sittichs? Was hat dieser Vogel, was ein Mensch nicht hat?

Auf die Idee ist meine Schwester gekommen. Unser Grundproblem war Distanz! Wir waren beide so sehr mit den Storys und Figuren verbunden, dass es schwer gewesen wäre, irgendwas aus einer größeren Perspektive zu betrachten. Der Vogel gibt uns die Möglichkeit alles in Frage zu stellen und alles zu kommentieren. Schließlich ist für Vogel „BöRDie“ alles völlig absurd.

Der Roman spielt zur Wendezeit. Warum haben Sie gerade diese Zeit für Euren gewählt?

Also ohne Wendezeit gäbe es diesen Roman ja gar nicht. Es gibt so viele lustige, traurige und verrückte Geschichten aus dieser Zeit, die wahnsinnig viele Menschen in diesem Lande mit sich rumtragen aber nie darüber nachgedacht haben. In 2017 sind blaue Halstücher und „immer bereit!“ für einen 15-Jährigen so weit weg, dass es sich liest, als hätten wir einen Star-Wars-Roman geschrieben. Dabei ist das nicht mal 30 Jahre her. In diesem Sinne ist es für all diejenigen, die damals dabei waren, eine amüsante Auffrischung der wirren irren Zeit und für alle, die es nicht erlebt haben, eine Geschichtsstunde aus der Sicht eines irren Vogels. Ganz geil oder?