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Bonaparte des Buchhandels: 250 Jahre Johann Cotta

22.04.2014, 17:37

Marbach am Neckar - "Bonaparte des Buchhandels" sollen sie ihn genannt haben. Und auf einem der letzten Bilder, die es von Johann Friedrich Cotta noch gibt, ist er auch genau so dargestellt.

In der dunkelblauen Hofuniform eines württembergischen Abgeordneten steht er da. Mit goldenen Knöpfen. In Napoleon-Pose mit Macherblick, sein Landgut im Hintergrund. In Öl. Alles in allem ein Habitus, den der legendäre Verleger von Schiller, Goethe und Co. aber durchaus für sich beanspruchen konnte, wie Helmuth Mojem, Leiter des Cotta-Archivs in Marbach berichtet. Am 27. April vor 250 Jahren wurde Johann Friedrich Cotta in Stuttgart geboren.

Der Verleger der Deutschen Klassik galt auch als charmant, liebenswürdig und entgegenkommend, weiß Mojem. Jedoch seien das Züge, "die man in seiner Korrespondenz nicht unbedingt findet". Der Cotta-Verlag galt als einer der ältesten und berühmtesten Verlage Europas. Die Cotta\'sche Handschriftensammlung war einst das Fundament, das Herzstück, des Deutschen Literaturarchivs.

Tübingen 1787: Johann Friedrich Cotta, noch keine 25 Jahre alt, übernimmt die J. G. Cotta\'sche Buchhandlung seiner Vorfahren in Tübingen. Er zahlt etliche Geschwister aus, verschuldet sich hoch. Das Traditionshaus läuft zunächst als Universitätsverlag - und wirft keine Reichtümer ab. Das veraltete Programm vor allem von theologischen und juristischen Schriften bringt nicht wirklich viel ein. Doch Johann Friedrich Cotta macht sich die Aufklärung zunutze: Ende des 18. Jahrhunderts gilt Lesen von schöner Literatur nicht mehr als sinnlose Beschäftigung. Die Frauen kommen als neue Leser hinzu.

1794 kommt Friedrich Schiller zurück nach Württemberg, Cotta kommt mit seinem Landsmann ins Geschäft - während einer Kutschfahrt in Stuttgart, wie man sich erzählt. Cotta ist deutlich mehr Geschäftsmann als der große Kenner von Literatur. "Cotta waren Autoren stets noch wichtiger als ihre Werke", sagt Mojem, "obwohl er mit letzteren ja sein Geld verdiente". Der Verleger ist bereit zu lernen. "Er folgte oft Empfehlungen, etwa von Schiller." 1810 geht Cotta mit dem Verlag nach Stuttgart, verlegt dann auch Goethe, verschafft dem Haus Weltruhm.

Jahrzehntelang gibt Cotta auch zig Zeitschriften heraus: die maßgebliche "Allgemeine Zeitung", das "Morgenblatt für gebildete Stände" und Schillers Zeitschrift "Horen". Große Denker wie Alexander von Humboldt, Jean Paul, Johann Gottfried Herder oder Georg Wilhelm Friedrich Hegel veröffentlichen bei Cotta. Eduard Mörike, Friedrich Hebbel oder Theodor Fontane kommen hinzu. Heinrich Heine soll gesagt haben: "Das war ein Mann, der hatte die Hand über die ganze Welt." Sehenswert ist das "Verlagsbuch 1787-1806", in dem Cotta eigenhändig alle Geschäfte mit seinen Autoren, Zeichnern, Kupferstechern, Papierfabrikanten und Druckern abrechnet. Es zeigt auch: Cotta zahlt nicht schwäbisch.

Irgendwann findet Cotta auch noch die Zeit, Politiker zu sein, Vizepräsident der Württembergischen Ständekammer, Förderer des preußisch-süddeutschen Zollvereins. Pionier ist er als Mitbegründer der Dampfschifffahrt auf dem Bodensee, agiert dort als Großkapitalist, investiert in die gerade funktionsreif gewordenen Dampfdruckerpressen aus dem Hause König. "Cotta war ein manischer Arbeiter", so Mojem. "Ich weiß nicht, wann er geschlafen hat."

Und privat? "Von seiner Frau weiß man kaum etwas", sagt Mojem. In der Staatsgalerie Stuttgart hängt ein Porträt von Wilhelmine Haas (1769-1821), einer Pfarrerstochter. "Frau Cotta machte aus dem Wohnhaus in Tübingen eine Art schwäbischen Musensitz, gab Gesellschaften und kümmerte sich um eine weitläufige, gelehrte Korrespondenz", so die Staatsgalerie. Einen Sohn und eine Tochter hat das Paar, ein weiterer Sohn stirbt im Kindesalter.

Johann Friedrich Cotta stirbt 1832. Sein Sohn Georg führt das Unternehmen weiter, agiert aber glücklos. Der Verlag verliert unter seiner Führung die Fühlung zur Gegenwartsliteratur, wie Mojem berichtet. Im Klassikerjahr 1867 - 35 Jahre nach Goethes Tod - laufen die Urheber- und Verlagsrechte der vor 1837 verstorbenen deutschen Autoren aus. Schiller, Goethe und Co. sind für alle Verleger kostenfrei zu drucken - die Geburtsstunde der Reclam-Büchlein.

Acht Generationen bleibt der Verlag im Besitz der Familie Cotta, bis er 1889 an Adolf Kröner geht. 1977 dann der letzte Wechsel zur Firma Ernst Klett. Aus zwei Traditionshäusern wird die Verlagsgemeinschaft Klett-Cotta. Und so findet der Name des legendären Schiller Verlegers Cotta heute seinen Weg auch auf viele Fantasy-Bücher wie Tolkiens "Der Herr der Ringe".