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Film Das schweigende Klassenzimmer

Eine Schulklasse protestiert 1956 mit einer Schweigeminute für die Opfer des Ungarn-Aufstands. Das SED-Regime reagiert.

27.03.2017, 23:01

Eisenhüttenstadt (dpa) l Eine Schule war das leerstehende Gebäude gleich neben dem heutigen Dokumentationszentrum für DDR-Alltagskultur in Eisenhüttenstadt nie. Doch für einen Kinofilm ist das ehemalige Kinderwochenheim zum „schweigenden Klassenzimmer“ umgebaut worden.

Der Kinofilm, der auf einer wahren Geschichte basiert, soll im nächsten Jahr ins Kino kommen. In den Hauptrollen agieren namhafte Darsteller wie Michael Gwisdek oder Ronald Zehrfeld. Ein graues Schild am Eingang des Gebäudes weist auf die fiktive „Clara-Zetkin-Schule“. Tafel, Schulbänke, Lampen und Gardinen – alles stammt aus den 1950er Jahren.

Die tatsächliche Geschichte, die Dietrich Garstka und seine 19 Mitschüler im Herbst 1956 erlebten, trug sich allerdings nicht hier, sondern in Storkow (Oder-Spree) südöstlich von Berlin zu.

Als Reaktion auf den von sowjetischen Truppen blutig niedergeschlagenen Ungarn-Aufstand hatten die Neuntklässler im Herbst 1956 spontan zwei Schweigeminuten für die Opfer eingelegt. Die Aktion hatte gravierende Folgen: Erst schaltete sich das Kreisschulamt ein, später auch der DDR-Bildungsminister.

Die SED-Funktionäre suchten den Anstifter, die Schüler hielten dicht und wurden alle vom Abitur ausgeschlossen. 16 von ihnen flohen zunächst nach West-Berlin und wurden später propagandaträchtig in die Bundesrepublik ausgeflogen.

In Hessen machten sie schließlich 1958 ihr Abitur, unter ihnen auch Garstka. Der heute 78-Jährige hat die Geschichte aufgeschrieben und veröffentlicht. „Ich wollte das Thema unbedingt verfilmen, schon damals“, sagt Filmproduzentin Miriam Düssel. „Es war eine spannende Zeit, als die DDR noch in ihren Anfängen steckte und Jugendliche mit einer menschlichen Geste einen ganzen Staatsapparat gegen sich aufbrachten“, sagt sie.

Der Regisseur des Films ist Lars Kraume („Der Staat gegen Fritz Bauer“). „Gerade heute, wo unsere Grundwerte wieder in Frage gestellt werden, sind diese Ereignisse besonders aufschlussreich“, meint er.

Der Originalschauplatz Storkow taugte allerdings als Filmkulisse nicht. Die alte Schule ist umgebaut und ein Stadtbild der 1950er Jahre gibt es nicht mehr. Eisenhüttenstadt hat hingegen alles, was das Herz der Filmemacher höher schlagen ließ: Die Wohnkomplexe I bis III gelten heute als eines der größten Flächendenkmale Deutschlands.

Die Eisenhüttenstädter ertrugen während der Dreharbeiten eisern zahlreiche Straßensperrungen. Inzwischen ist die letzte Klappe gefallen. Bis Anfang April wird noch in Berlin und in Potsdam-Babelsberg weitergedreht.