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Grabungsfund "Vater der Himmelsscheibe" aus Dieskau?

Ein mächtiger Fürst ist vor 3800 Jahren mit viel Gold bei Dieskau beigesetzt worden. War er der Auftraggeber der Himmelsscheibe von Nebra?

24.08.2016, 13:54

Dieskau (dpa) l Der bronzezeitliche Fürst vom Grab Bornhöck bei Dieskau (Saalekreis) ist nach Ansicht von Experten mit hoher Wahrscheinlichkeit der Auftraggeber der Himmelsscheibe von Nebra. "Das ergaben neueste Forschungen", sagte Landesarchäologe Harald Meller am Mittwoch an der Grabungsstelle während einer Begehung. "Weitere Untersuchungen laufen noch."

Die Himmelsscheibe von Nebra gilt als älteste konkrete Sternenabbildung der Welt und wurde vor 3600 Jahren zusammen mit anderen bronzenen Gegenständen auf dem Mittelberg bei Nebra vergraben. Zuvor war die Scheibe etwa 300 Jahre in Benutzung. "Mit einem Durchmesser von rund 70 Metern und einer Höhe von 15 Metern war die als ‚Bornhöck‘ bekannte Begräbnisstätte das größte Hügelgrab Mitteleuropas", sagte Meller. Im Zuge des Braunkohleabbaus wurde das Fürstengrab im 19. Jahrhundert fast vollständig abgetragen.

Dennoch haben die Archäologen seit 2014 in drei Grabungskampagnen Tausende Knochen- und Keramikfunde gemacht. Zudem wurde nachgewiesen, dass der Grabhügel in der Bronzezeit weiß gekalkt und bunt bemalt war. "Der Fürst wurde vor etwa 3800 Jahren bestattet und war aufgrund der enormen Goldbeigaben ein gottgleicher Herrscher über die Region, vergleichbar mit den Pharaonen im alten Ägypten", sagte der Landesarchäologe. "Nur der Herrscher hatte das geheime astronomische Wissen und er ließ es auf der Himmelsscheibe verewigen." Der Reichtum des Herrschers resultierte aus der Kontrolle des Fernhandels zwischen Süd und Nord.

Während Raubgräber im Mittelalter einen Stollen in die Mitte des Hügels trieben und die Hauptgrabkammer trafen, wurde 1874 eine Nebenkammer ausgeraubt. Von dem über einen Kilogramm schweren Goldschatz aus dem 19. Jahrhundert sind fünf Stücke, vier Armringe und ein Beil, erhalten. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges lagen diese Funde in den Staatlichen Museen in Berlin, jetzt im Puschkin-Museum Moskau.

"In der Nähe des Herrschergrabes wurden jetzt aus der Luft weitere Gräber der bronzezeitlichen Oberschicht entdeckt, wir können deshalb von einer Herrschaftslandschaft sprechen", sagte Meller. Der herausragendste Fund, den die Archäologen in diesem Jahr am "Bornhöck" machen konnten, wirkt auf den ersten Blick unscheinbar. Es handelt sich um ein wegen seiner Form so genanntes Brotlaibidol. Von denen sind aus dem südlichen Sachsen-Anhalt und Thüringen nur drei mögliche, schlecht erhaltene Vergleichsstücke bekannt. Meller: "Er belegt jenseits der herausragenden Gold- und Bronzefunde die enge Einbindung der Dieskauer Fürsten in ein überregionales Kommunikations- und Handelssystem."

Auf der Oberseite dieses länglichen Tonobjektes sind Querstriche und kleine eingestempelte Kreise zu erkennen. Im 19. bis 16. Jahrhundert vor Christus, der Zeit der frühbronzezeitlichen Fürstengräber und der Himmelsscheibe von Nebra, tauchen im südlichen Mitteleuropa sehr ähnliche viereckige bis ovale Tontäfelchen auf, die immer wiederkehrende Verzierungen aus Linien und Stempeleindrücken tragen.

Ihre wirkliche Funktion wird erst seit wenigen Jahren deutlich. Offensichtlich spielten diese Objekte im Fernhandel, möglicherweise von Metallen, eine Rolle. Vielleicht waren sie eine Art Frachtschein oder etwa Siegelstempel als Echtheitszertifikat. Sind auf ihnen vielleicht sogar Zahlen oder andere Informationen verschlüsselt? Darüber rätseln die Wissenschaftler noch.

"Möglicherweise lag bei Dieskau ein zentraler Bestattungsort einer Dynastie von Fürsten", sagte Landesarchäologe Harald Meller. Die Suche ist noch lange nicht beendet. Die Grabungen werden im nächsten Jahr fortgesetzt.