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Halberstadt Sehnsucht nach Glück und Liebe

In der Choreografie von Can Arslan stellte das Nordharzer Städtebundtheater am Sonnabend das Ballett „Coppélia“ vor.

Von Hans Walter 14.02.2016, 23:01

Halberstadt l „Etwas Entsetzliches ist in mein Leben getreten. Dunkle Ahnungen eines grässlichen, mir drohenden Geschicks breiten sich wie schwarze Wolkenschatten über mich aus“ – so beginnt E. T. A. Hoffmann seine grausige Gespenstergeschichte „Der Sandmann“. Aus Hoffmanns fantastischem Oevre bedienten sich Librettisten und Komponisten wie aus einem Steinbruch: Tschaikowskis Nussknacker-Ballett basiert auf einem Märchen von Hoffmann. Jaques Offenbach schrieb „Hoffmanns Erzählungen“ mit der Puppe Olympia.

Aus dem Kern der Sandmann-Erzählung entwickelten Charles Nuitter und Arthur Saint Léon ihr Libretto für das seit seiner Premiere am 25. Mai 1870 gefeierte Ballett „Coppélia“; die zauberhafte romantische Musik komponierte Léo Delibes. Klassische Ohrwürmer! Idol und Ideal, Hoffnung und Enttäuschung, die Sehnsucht nach Glück und Liebe treffen aufeinander. Ewige Menschheitsthemen.

Dr. Coppélius (Jonathan Rocacher) hat mit Coppélia eine mechanische Puppe geschaffen, in Gang gesetzt durch den Puppenmeister (Carlos Herrero Morales). Auch die bildhübsche Swanilda (Shainez Atigui) und ihr Verlobter Franz (Alexandre Delamare) besichtigen das vermeintliche Wunderwerk.

Der spanische Puppenbauer Karlos Herrero schuf diese Coppélia. Wieso sich Franz ausgerechnet in dieses seltsam ungelenke hölzerne Wesen im Reifrock und mit einer gelben Perücke verknallt, bleibt rätselhaft. Die Holzpuppe ist vermutlich der Kleinheit des Ensembles geschuldet, macht seine personellen Grenzen sichtbar. Ein mutiger Versuch des Choreografen und seiner Dramaturgin Susanne Range, das Werk dennoch aufzuführen.

Mechanikus Coppélius braucht Franz aber dringend. Er gibt ihm in seinem wundersamen Laboratorium einen Schlaftrunk und will ihn seiner Seele entkleiden, um Coppélia zu vermenschlichen. Das Vorhaben misslingt. Swanilda ist in das Coppélia-Kostüm geschlüpft, um Franz zurückzuerobern. Er wacht auf; lachend ziehen beide ab in Richtung Hochzeit.

Der Rest blieb nette Revue, vermutlich auch durch das verwaschene, nicht sehr konkrete Libretto. Der dritte Akt wirkt wie angeklebt. Coppélius und seine Automaten-Puppe sind aus dem Rennen. Vom ländlichen Glocken-Weihfest und einer vergnügten Hochzeit mit Symbolgehalt ist wenig zu sehen – stattdessen eine Tanz-Show, bei der das Stamm-ensemble zeigt, was es tänzerisch-technisch zu leisten in der Lage ist. Das war wirklich fantastisch! Szenenapplaus nach fast jeder Hebung, großen Sprüngen, jedem Tanz – ob im Solo, beim Pas de deux oder in der Gruppe. Großes Ballett des kleinen Ensembles, allen voran Atigui und Delamare!

Für die Ausstattung ist Andrea Kaempf verantwortlich. Schöne Kostüme und Masken. Eine verspielte, farbige galizisch-russische Häuserlandschaft (für die sie Szenenbeifall erntete) und das Räderwerk-Laboratorium des Dr. Coppélius. Die Puppen, an denen er bastelt – ein Terrakotta-Krieger und ein Golem (der schon in Hoffmanns „Sandmann“-Erzählung vorkommt), wurden getanzt von Jaume Bonnin und Naoki Kataoka.

Am Pult stand Michael Korth. Er ließ fast durchgehend im Bereich von Mezzoforte und Forte musizieren. Wenn man schon ein Orchester für eine große Produktion des Tanztheaters zur Verfügung hat, gebührt den Tänzern das Vorrecht. Hier haperte es öfter an der Synchronität von Bühne und Orchestergraben.

Fazit: Ein unterhaltsamer Abend mit neun Minuten tosendem Beifall zum Schluss.

Die nächsten Vorstellungen: 20.2. Quedlinburg, 4.3. Halberstadt, 13.3. Quedlinburg