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Fernsehen "Polizeiruf 110" im Doppelpack

Im ersten "Polizeiruf 110"-Crossover mit zwei Polizei-Teams gibt es griffige Dialoge, schnelles Erzähltempo und eine dichte Story.

25.09.2015, 10:44

Magdeburg (dpa) l Irgendwo in Rostock klingelt ein Handy. Es ist das Telefon eines Toten. Der Anruf kommt aus Magdeburg. Hauptkommissarin Doreen Brasch hat LKA-Profilerin Katrin König dran, die gerade das Handy eines ermordeten Wirtschaftsprüfers unter die Lupe nimmt. Der Getötete stammt aus Magdeburg, der Tatort heißt Rostock-Warnemünde. Die Nummer des Prüfers hat eine Frau in Magdeburg kurz vor ihrem Tod gewählt. Sie starb bei einem Brandanschlag auf ein Familienunternehmen. Brasch will den Mann als Zeugen befragen. Doch man hat ihm längst, 350 Kilometer entfernt an der Ostsee, nach dem Leben getrachtet. Erschossen in einem Hotel. Gibt es einen Zusammenhang?

Regisseur und Drehbuchautor Eoin Moore nutzt diese, nicht einmal einminütige Szene als Türöffner für ein noch nie dagewesenes Projekt. Erstmals in der Geschichte der Krimireihe „Polizeiruf 110“ wird länder- und senderübergreifend ein Mörder gesucht. 180 spannende Filmminuten verteilen sich auf die Sonntagabende des 27. September und 4. Oktober. Die Ausstrahlung des zweiten Teils wurde in die ARD-Themenwoche „Heimat“ eingebunden.

„Wendemanöver“ ist mehr als eine perfide Räuber-und-Gendarm-Geschichte. Das erste „Polizeiruf 110“-Crossover beeindruckt mit griffigen Dialogen, einem schnellen Erzähltempo und einer dichten Story, an deren Ende vier Tote und mehrere Täter stehen.

Zu Beginn der Ermittlungen von Katrin König (Anneke Kim Sarnau), Alexander Bukow (Charly Hübner), Doreen Brasch (Claudia Michelsen) und Jochen Drexler (Sylvester Groth) lässt sich deren Komplexität kaum erahnen. Zwei Morde, zwei Handlungsstränge und am Ende kommt alles zusammen und der Täter hinter Gitter. Denkt sich der Zuschauer – und irrt.

Das ungleiche Quartett muss in die Vergangenheit reisen – auch in die eigene. Zurück in die Zeit der wirtschaftlichen und politischen Umbrüche der 1990er Jahre. Es geht um die kriminellen Machenschaften jener Bonzen, die damals skrupellos und gierig waren und es bis heute sind. Dafür gehen sie auch über Leichen. Dem Krimifan werden Worte wie Zerv (Zentrale Ermittlungsstelle Regierungs- und Vereinigungskriminalität) und Transferrubelbetrug zugemutet. „Wendemanöver“ ist auch Geschichtsunterricht.

Moore und seine Mitautoren Anika Wangard und Thomas Kirchner haben aus den Fäden von Schicksalen, Lebensläufen und persönlichen Dramen in Ost und West einen äußerst kompakten Teppich gewebt. „Die Sache hier wird immer dichter“, hört man kurz vor dem Showdown Pöschel (Andreas Guenther) sagen. Und er hat recht. Es ist eine Geschichte, die über drei Generationen hinweg erzählt wird. So mancher Zuschauer könnte das Verlangen verspüren, den Ermittlern gleich, das Flipchart herauszuholen. Des Überblicks wegen. Moore setzt dramatische Ankerpunkte und Schlüsselmomente. Am Ende sind auch die Figuren klarer.

Im Zweiteiler „Wendemanöver“ feiert Sylvester Groth Abschied von Magdeburg und seiner überkorrekten Ermittlerfigur Drexler. Moore entlässt ihn, indem er ihn als Privatmann auf den Punkt bringt. Nicht ist mehr länger angedeutet, alles ist auserzählt. Das – Achtung, Spoiler! – Coming-out des steifen Mantelträgers ist ein angenehmer Aha-Moment, aber nicht der einzige.

Brasch küsst einen Kollegen, König verliebt sich in einen zwielichtigen Zeugen und Bukow macht einfach sein Ding. „Machteburch“ kommt als Stadt eindeutig besser weg, weil beeindruckende Nachtaufnahmen der Elbestadt aus der Luft und eine Verfolgungsjagd ums pittoreske Hundertwasserhaus die öden Rostocker Plattenbauten und die mit Graffiti beschmierten Garagenkomplexe klar ausstechen.

„Wendemanöver“ wurde an etwa 50 Tagen in Magdeburg, Rostock und Hamburg gedreht. Ende Januar fiel die erste Klappe. Es ist eine Gemeinschaftsproduktion von MDR und NDR.

„Polizeiruf 110 – Wendemanöver“: 1. Teil am 27. September, 2. Teil am 4. Oktober, 20.15 Uhr, im Ersten.