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Klassik Naturtöne und Meditation

In der Saison der Magdeburgischen Philharmonie stand die Violine im Zentrum. Zum letzten Konzert gastierte Isabelle van Keulen.

Von Ulrike Löhr 11.06.2017, 23:01

Magdeburg l „Es war die Nachtigall, und nicht die Lerche …“ kam einem unwillkürlich in den Sinn bei diesem wahrlich zwitschernden und mit Naturtönen behafteten Konzertprogramm. Sie sollten beide zu Gehör kommen, Nachtigall und Lerche.

Mehr als nur Reminiszenz an Georg Philipp Telemann waren die zwei eröffnenden Stücke aus der Telemann‘schen Ouvertürensuite „La Bizarre“. Die Magdeburgische Philharmonie brachte die unbändige Telemann’sche Lust an der Tonmalerei zum Tragen.

Da umspielten freudig tänzerisch die zweiten Violinen den punktierenden Ouvertürenrhythmus der ersten Violinen. Und im „Rossignol“ („Die Nachtigall“) beeindruckten die komplexen kurzen Tonrepetitionen, dynamisch trillernd und durch oft retardierende Tempi imposant dem prägnanten Gesang der Nachtigall nachempfunden. Die von GMD Kimbo Ishii bedachte Orchesteranordnung, bei der die Bratschen den ersten Violinen gegenüber musizierten, erwies sich akustisch auch für das weitere Programm sehr förderlich. So auch für den nachhaltig begeisternden Gastauftritt der gebürtigen Niederländerin Isabelle van Keulen.

Die Weltklasse-Geigerin, die gleichermaßen sich auch dem Klang der Bratsche verschrieben hat und eine große künstlerische Spannbreite ausweist, machte mit ihrer daraus resultierenden Klangsensibilität das Sinfoniekonzert zu einem der besten dieser Spielzeit. Zum einen mit der meditativen Romanze für Violine und Orchester von Ralph Vaughan Williams' „The Lark Ascending“ („Die aufsteigende Lerche“), bei der sie die aus dem Metrum befreiten Kadenzpassagen und die virtuosen Arabesken wie unzähligen Triller mit einer Schwerelosigkeit ausstrahlenden Unprätentiösheit spielte. Sie konnte dabei hervorragend auf ihre bogentechnisch fundierte und ideell durchdrungene satte Tongebung setzen.

Zum anderen gab van Keulen das kantable Violinkonzert des Amerikaners Samuel Barber, das in seiner Verbindung von elegisch-ausschweifender Einfachheit und hochemotionaler Virtuosität besticht. Während im ersten wie Mittelsatz die gestalterische Natürlichkeit des Soloparts vom Orchester mit burleskem Klarinettenwechselspiel und wehmütig-schwärmerischen Oboenthema kongenial begleitet wurde, war der dissonantere Finalsatz zudem in einer Perpetuum-mobile-Geschäftigkeit vor allem für die Solistin herausfordernd.

Van Keulen vermochte es, der etüdenhaften technisch anspruchsvollen Motorik Barbers mit empfindungsreichen Tonrundungen und dynamisch-strukturellen Ebenen zu begegnen. Das, was da ins Parkett übersprang, war im Bauch entstandene Begeisterung über dieses Violinspiel. Der Trampel-applaus war logisches Ventil. Den Abend charakterlich abrundend erklang zudem noch Jean Sibelius‘ 1. Sinfonie e-Moll in spätromantischer Tradition mit faszinierenden Paukenwirbeln, homogen strahlenden Streichern und ausbalancierten Holz- und Blechbläsern. Ein großartiger Saisonabschluss!