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Schriftsteller Erik Neutsch in Halle gestorben / Seine Bücher waren in der DDR Bestseller Die "Spur der Steine" machte ihn berühmt

22.08.2013, 01:15

Halle (dpa) l Er galt als großer Literat und zugleich als Vorzeugeschriftsteller der DDR, obwohl er bei den SED-Oberen mit einem seiner wichtigsten Werke aneckte. Die Wende verkraftete Erik Neutsch nur schwer.

Mit seinem Buch "Spur der Steine" (1964) hat der Schriftsteller Erik Neutsch aus Halle Literaturgeschichte in der DDR geschrieben. Seine Bücher waren vor dem Fall der Mauer Bestseller. An seinem Werk "Der Friede im Osten" (ab 1974) arbeitete Neutsch eigentlich sein ganzes Leben lang. Dieser ursprünglich auf sechs Bände ausgelegte Romanzyklus und das Buch "Auf der Suche nach Gatt" (1973) galten als Standardwerke des sozialistischen Realismus. Neutsch starb gestern im Alter von 82 Jahren.

In den letzten Jahren war es ruhig um ihn geworden. Er hatte sich in ein Haus am Waldrand in Halle an der Saale zurückgezogen. Große öffentliche Auftritte ließ seine schwer angeschlagene Gesundheit wohl auch nicht mehr zu. Mit der Wende war für Neutsch beruflich eine Welt zusammengebrochen. Von 1974 bis 1990 war er Mitglied der Akademie der Künste der DDR. "Autoren meines Geistes sind auch nicht willkommen in diesem Land", sagte Neutsch einmal bei einer Lesung in der Willi-Sitte-Galerie in Merseburg aus seinem 2003 erschienenen Buch "Nach dem großen Aufstand".

Er nannte Sitte einen Freund. Der Maler war am 8. Juni dieses Jahres im Alter von 92 Jahren nach langer Krankheit in Halle gestorben. Sitte galt als einer der großen Gegenwartskünstler der DDR - und zugleich als einer der umstrittensten aufgrund seiner Vergangenheit als DDR-Kulturfunktionär.

"Ich will weiterschreiben", bekannte Neutsch vor Publikum im Jahr 2006. Und fügte sogleich hinzu: "Ich weiß aber nicht, ob jemand das verlegen wird." Seine Ideale einer Gesellschaft benannte er mit Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Seinen Platz in der Gesellschaft nach 1990 fand er wohl nur sehr schwerlich oder gar nicht. Die Arbeit an einem sozialkritischen Werk unmittelbar nach 1990 hatte er beiseite gelegt. "Die Wirklichkeit sieht viel schlimmer aus, als ich mir das ausdenken kann", bekannte der 1931 als Arbeiterkind in Schönebeck bei Magdeburg geborene Schriftsteller.

Zu DDR-Zeiten schilderte er in seinem großen Werk "Spur der Steine" die gesellschaftspolitische Entwicklung des Zimmermannbrigadiers Balla. Das Buch wurde mit Manfred Krug in der Hauptrolle verfilmt. Nach der Premiere wurde der Defa-Film wegen seiner kritischen Sichtweise auf die DDR abgesetzt und erst 1990 wieder gezeigt.

Nach dem Fall der Mauer erschien von Neutsch als erstes Werk der Wenderoman "Totschlag" (1994). Darin geht es um ungelöste Eigentumsprobleme und deren Folgen für die Wiedervereinigung.

In dem Erzählband "Verdämmerung" (2003) schrieb er sich nach dem Tod seiner Frau, mit der er über 50 Jahre verheiratet war, den Schmerz von der Seele. Der Leser konnte nur erahnen, wie groß der Verlust war. Über die späteren Familienverhältnisse wurde kaum etwas bekannt. Die Nachricht von seinem Tod verbreitete eine nach ihm benannte Stiftung, Neutsch hatte zu seinem 80. Geburtstag einen Wettbewerb für junge Erzähler ausgeschrieben. Zuletzt äußerte er sich in einem Interviewbuch "Spur des Lebens" (2010).