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Schon zu DDR-Zeiten wurde in Halle die NS-Kampagne "Entartete Kunst" erforscht Zur Täuschung falsche Bilder abgeliefert

Nach dem spektakulären Kunstfund in München ist die NS-Raubkunst in den
Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Weniger bekannt: Alle Forschung zur
"Entarteten Kunst" hat ihren Ursprung in Sachsen-Anhalt. Hier hat
Kunsthistoriker Andreas Hüneke mit seinen Forschungen Grundlagenarbeit
geleistet.

Von Uta Baier 09.11.2013, 01:06

Berlin l Mit dem Münchner Kunstfund, der Anfang dieser Woche publik wurde, rückt ein Teil der deutschen Geschichte ins Bewusstsein, der meist nur Experten beschäftigt: Der systematische Kunstraub unter den Nazis und die Verfemung einer ganzen Gruppe avantgardistischer Künstler. Während die Schicksale der verschwundenen Kunstwerke aus Privatbesitz individuell aufgeklärt werden müssen, gibt es bei den beschlagnahmten Werken aus Museumsbesitz viele Parallelen.

Annähernd 20.000 Kunstwerke von sogenannten "Entarteten Künstlern" beschlagnahmten die Nazis in deutschen Museen. Einen kleinen Teil - etwa 650 - zeigten sie in der Ausstellung "Entartete Kunst", die am 19. Juli 1937 in München eröffnet und anschließend in zwölf deutschen Städten gezeigt wurde. Einen anderen Teil verbrannten sie, vieles übergaben sie vier ausgewählten Kunsthändlern zum Verkauf. Dass die nicht alles verkauften, zeigt der aktuelle Fund des Nachlasses von Kunsthändler Hildebrand Gurlitt.

Nach dem Krieg kümmerte es wenige Museen, wohin ihre Kunstwerke gekommen waren. Eine systematische Forschung in der Bundesrepublik begann Mitte der 80er Jahre. In der DDR hatte sich der Wissenschaftler Andreas Hüneke schon früher dem Thema zugewandt. Seit 1971 war Hüneke Mitarbeiter in der Staatlichen Galerie Moritzburg in Halle. "Ich hörte immer vom legendären Ruf der verlorenen Sammlung. Doch konkret wusste niemand etwas. Also begann ich selbst nachzuforschen und stieß auf die Aktion \'Entartete Kunst\'", sagt Hüneke.

Später, 1997, entdeckte Hüneke in London die sogenannte Harry-Fischer-Liste - das einzige vollständige Beschlagnahme-Inventar von 1941/42. Dass Franz Marcs Aquarell "Pferde in Landschaft", das jetzt in München gefunden wurde, ins Museum nach Halle gehört, war daher schnell klar. Denn Hüneke kannte das Bild aus seinen frühsten Forschungen und hat es in seinem 2005 erschienenen Buch "Das schöpferische Museum", das die Sammlungsgeschichte der Moritzburg von 1908 bis 1945 aufarbeitet, als Verlust abgebildet.

Marcs Pferde-Aquarell gehört nach Halle

Klar war während der Nazizeit hingegen nie so richtig, wer eigentlich ein "Entarteter Künstler" war und wer nicht. Denn viele Künstler haben weiter ausgestellt, obwohl Arbeiten von ihnen in den Museen beschlagnahmt worden waren. "Wir wissen von einem tatsächlichen Arbeitsverbot nur von drei Künstlern: von Emil Nolde, Karl Schmidt-Rottluff und Edwin Scharf. Die meisten Künstler durften weiterarbeiten", sagt Hüneke.

Während es bei den Literaten verbindliche Listen darüber gab, wer als "entartet" galt, blieb es bei den Künstlern eher unbestimmt. Hüneke: "Von Franz Marc sind manche Dinge beschlagnahmt worden, andere nicht. Bei Lovis Corinth hat man nur die Arbeiten nach seinem Schlaganfall als ,entartet\' erklärt. Trotzdem wurden auch frühere Werke beschlagnahmt."

Zum Glück für die Museen, nahmen die Kommissionen, die für die Auswahl der Werke verantwortlich waren, die Kunst nicht sofort mit. Die Museen mussten sie selbst verpacken und zu den Sammelpunkten schicken. Das gab manchem mutigen Museumsmitarbeiter die Möglichkeit, Werke auszutauschen. Andreas Hüneke weiß zum Beispiel, dass die Mitarbeiter im Berliner Kupferstichkabinett Arbeiten nachträglich ausgetauscht haben. "Das ging vor allem bei Grafik, weil die nur summarisch erfasst wurde."

Rechtlich gesehen sind die Verluste der Museen aus der Aktion "Entartete Kunst" endgültig. Doch die Historikerin und Provenienzforscherin Monika Tatzkow sieht jetzt durchaus Chancen für einige Museen und ihre Kunstwerke: "In der Harry-Fischer-Liste (...) gibt es mehrere Bilder, die an Hildebrand Gurlitt gingen und die mit einem K gekennzeichnet sind. K steht für Kommissionsware und die kann sehr wohl zumindest an den Staat zurückgegeben werden."