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Der Leipziger Fotokünstler Matthias Hoch zeigt seine Serie "Silver Tower" in Magdeburg Fotografische Abtastungen der Welt

Von Uta Baier 18.01.2014, 01:18

Leipzig/Magdeburg l Für Fotos von Menschen ist der Leipziger Fotograf Matthias Hoch (1958 in Radebeul geboren) zu langsam. Wenn er Fotos macht, dann taucht er unter ein großes schwarzes Tuch und fotografiert mit einer Plattenkamera. Blitzlicht benutzt er nie, sondern ausschließlich das vorhandene Licht. Er wartet lange auf den besten Augenblick, um menschenleere Szenerien, Räume, Architektur, Häuser, Straßen zu fotografieren. Zwar sind die Menschen abwesend, doch die Bilder tragen die Spuren des Lebens.

Im Kunstmuseum Magdeburg (und zeitgleich in der Städtischen Galerie Wolfsburg) sind ab 21. Januar Matthias Hochs Bilder aus dem "Silver Tower", dem ehemaligen Hochhaus der einst so reichen und dann so schmählich untergegangenen Dresdner Bank in Frankfurt, zu sehen. Zwanzig Wochen - zwischen 2009 und 2011 - begleitete Matthias Hoch das langsame Vergehen des exklusiven, streng bewachten und für ihn als Fotografen bis zur Pleite der Bank unzugänglichen Büroturms. Dessen Auflösung hinterlässt allenfalls flüchtige Spuren, die allein in dieser Fotoserie weiter existieren: die Abdrücke von schweren Möbeln auf dicken, weichen Teppichen, das vorübergehende Zusammenstehen der edlen Ledersessel, die scheinbare Lebendigkeit eines Kabelhaufens und das letzte Aufleuchten der Kontrolllämpchen eines ausgeklügelten Schaltkreises für ein Haus, in dem 2200 Banker und ihre Helfer arbeiteten.

Es sind Fotos, die weder anklagen noch bewerten. Sie zeigen lediglich in Bildern voll stilllebenhafter Ruhe, wie die Einrichtung des einst so stolzen Bankhauses ausgeräumt, demontiert, entsorgt wird. Am glitzernden Geldgeschäfte-Büroturm verdiente am Ende vor allem die Müllabfuhr. Museumsleiterin und Ausstellungskuratorin Annegret Laabs gefällt vor allem die "Symbolkraft der Serie". Die ist auch dem Fotografen Matthias Hoch wichtig, denn er will "über die Zeit, in der ich lebe, etwas hinterlassen".

Urs Stahel, ehemals Direktor des Fotomuseums Winterthur, nennt solche Bilder "komplexe fotografische Abtastungen der Welt". Diese Beschreibung gefällt dem Fotografen sehr, denn "Abtastungen" will er schon seit seinem ersten Projekt im Jahr 1988 liefern. Da fotografierte Hoch "Bahnhöfe" in der DDR, jene ungastlichen Orte, die Veränderung verhießen und doch nur einen Ausflug in die DDR boten.

Kurz nachdem die Bahnhofs-Serie fertig war, veränderte sich alles - die DDR gab es nicht mehr, und Matthias Hoch kam auf Bahnhöfe, die ihr Versprechen von Entfernung und Abenteuer einlösen konnten. Die Orte für Hochs Fotoprojekte veränderten sich, die Suche nach Objekten, die für Veränderungen stehen, ist geblieben.

Kunstmuseum Magdeburg, 21. Januar bis 23. März, Katalog (Spector Verlag): 25 Euro