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Volksstimme-Interview mit dem Autor Bernd Kaufholz über seinen ersten Krimiroman "Ich würde noch am Tatort geschnappt werden"

27.01.2014, 01:39

Bislang beschäftigte sich Bernd Kaufholz mit realen Kriminalfällen aus Sachsen-Anhalt. Nun veröffentlicht der Autor erstmals einen Roman. Volksstimme-Redakteur Lion Grote sprach mit ihm.

Volksstimme: Herr Kaufholz, Sie haben beruflich einen Acht-Stunden-Tag. Wo findet man da noch Zeit, einen Roman zu schreiben?

Bernd Kaufholz: Das aktuelle Buch-Projekt hat mich seit drei Jahren beschäftigt. Ich musste mir da wirklich einen Plan machen und mich am Wochenende, im Urlaub oder abends an den Laptop setzen. Es ist eben doch etwas anderes, als ein Buch über authentische Kriminalfälle zu schreiben.

Volksstimme: Warum jetzt ein Roman?

Kaufholz: Der Ausgangspunkt waren Lesungen meiner anderen Bücher mit Kriminalfällen, die tatsächlich passiert sind. Dabei wurde ich immer wieder gefragt, wann ich denn mal einen richtigen Krimi, gemeint war ein fiktiver, schreibe. Ich habe aber stets geantwortet: "So lange das Leben noch solche Fälle schreibt, brauche ich meine Phantasie nicht zu bemühen". Wenn ich mir so etwas ausdenken würde, was tatsächlich passiert ist, würden viele sagen: "Mit dem sind aber die Gäule durchgegangen." Doch irgendwann habe ich dann überlegt, Tatsächliches, Erlebtes und Erdachtes zu verbinden und in eine fiktive Form zu gießen. Fiktiv heißt ja nicht "spinnert". Vieles knüpft eben doch an die Realität an. Ich will ja auch meine Leser nicht verprellen. Deshalb habe ich versucht, dass sich der Stil meiner Kriminalreportage auch im "Tödlichen Skorpion" wiederfindet.

Volksstimme: Ihre Protagonistin, Tanja Papenburg, stößt bei ihren Ermittlungen auf einen ungelösten Mordfall an einem Unternehmer. Der Fall erinnert an die Ermordung von Paul Saib. Der damalige IHK-Vizepräsident wurde 2001 in seinem Haus erschossen aufgefunden. Die genauen Umstände sind bis heute unklar. Diente dieser Fall als Vorlage?

Kaufholz: Ich kann niemandem verbieten, Parallelen zu ziehen. Es gibt sicher das eine oder andere, das echten Fällen entlehnt ist. Man könnte es eine Gratwanderung zwischen Fiktion und Wahrheit nennen. Doch grundsätzlich verweise ich auf Seite 4 des Buches: "Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und unbeabsichtigt."

Volksstimme: Hauptfigur Tanja Papenburg ist eine 40-jährige Anwältin. Warum eine Frau?

Kaufholz: Darüber habe ich mir eigentlich noch keine Gedanken gemacht. Aber auch im "Tatort" gibt es ja inzwischen viele weibliche Kommissarinnen. Frauen sind ganz groß im Kommen - seit einiger Zeit nun nicht mehr nur als Opfer, sondern auch als Ermittlerinnen.

Volksstimme: Wäre Tanja Papenburg im wahren Leben eine Frau nach Ihrem Geschmack?

Kaufholz: Grundsätzlich interessiert mich jeder, der sich auch für die Abgründe des Lebens, Kriminal- und Gerichtsfälle, interessiert. Tanja Papenburg ist in ihrem Handeln sehr vorsichtig, beinahe ängstlich, aber am Ende doch stringent und hartnäckig. So eine Zielstrebigkeit finde ich schon sexy. "Wenn man etwas nicht versucht, hat man schon verloren": Das ist auch meine Lebensmaxime, die sich wohl ein bisschen in der Figur Tanja Papenburg widerspiegelt. Nach einer gewissen Zeit zu sagen, diese oder jene Entscheidung war die falsche, ist mir lieber, als etwas erst gar nicht versucht zu haben und dann ein Leben lang hinterher zu trauern.

Volksstimme: Im Buch geht es teilweise rustikal zu: Mord, Prostitution, Fördermittelbetrug und die ukrainische Mafia. Ist Sachsen-Anhalt wirklich so kriminell?

Kaufholz: Nicht krimineller als andere Bundesländer. Ich wehre mich dagegen, dass da immer wieder von außen pauschalisiert wird. Sei es nun bei Rechtsextremismus oder Kriminalität. Leider wird immer schnell auf den "wilden Osten" gezeigt. Das ist alles Quatsch. Ich würde in Magdeburg, Stendal oder Wernigerode abends immer durch die Straßen gehen - ohne Angst.

Volksstimme: In der Ankündigung des Buches ist vom "ersten Fall" der Tanja Papenburg die Rede. Das heißt, es folgen weitere?

Kaufholz: Ich will ja nicht zu viel verraten, aber es bleiben ja offene Fragen am Ende des Buches. Das hat zwei Gründe: Einerseits zwinge ich mich damit selbst, weiterzumachen. Denn schon das Manuskript für den "Tödlichen Skorpion" wollte ich in den letzten Jahren einige Male in die Ecke werfen. Andererseits hoffe ich, dass meine Leser - sollte der Krimi bei ihnen ankommen - auch wissen wollen, wie es weitergeht.

Volksstimme: Warum fasziniert Sie Kriminalität?

Kaufholz: Es gab eigentlich kein Schlüsselerlebnis. Vor rund 20 Jahren ist mir als schreibender Journalist die Gerichts- und Polizeiberichterstattung auf die Füße gefallen. Ich habe dann über eine lange Zeit ein gutes Verhältnis zur Polizei aufgebaut und die Arbeit der Ermittler als Volksstimme-Chefreporter begleitet. Mein Interesse an Kriminalfällen ist so gewachsen.

Volksstimme: Und sind Sie selber schon mal mit dem Gesetz in Konflikt geraten?

Kaufholz: Sagen wir mal so: Ich bin noch nie verurteilt worden. Ich bin wohl einfach zu feige und ich weiß: Verbrechen lohnt sich nicht. Vielleicht gab es aber ein prägendes Erlebnis: Ich war als Kind im Ferienlager in Arendsee. Einen Tag vor Ende sollte es abends eine Veranstaltung geben. An der Bühne stand ein riesiger Sack mit Bonbons. Da hab ich einfach zugegriffen. Und natürlich stand in dem Moment ein Erzieher hinter mir. Ich wäre wohl der typische Täter, der noch am Tatort geschnappt werden würde.