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Astrid Griesbach erzählt den Heinrich-Mann-Klassiker neu am Puppentheater Wieviel "Untertan" steckt in Dir?

Als "Herbarium des deutschen Mannes" beschrieb Kurt Tucholsky den Roman
Heinrich Manns, der 1914, kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges
abgeschlossen wurde. Regisseurin Astrid Griesbach hat sich des auf den
ersten Blick überlebten Stoffes angenommen und bringt den "Untertan" für
das Magdeburger Puppentheater neu auf die Bühne. Die Volksstimme traf
sie auf einer Probe.

11.02.2014, 07:35

Magdeburg l Schauspieler Florian Kräuter hockt auf einem hohen Stuhl, eine nackte Miniatur-Babypuppe auf dem Schoß. Licht wird eingerichtet - Regisseurin Astrid Griesbach verströmt gelassene Heiterkeit. Das Püppchen ist das noch unschuldig-nackte Baby Diederich Heßling, das seine Familie vorstellt. Die Spielpuppen werden von den Kollegen Lennart Morgenstern, Freda Winter und Gabriele Grauer geführt, der autoritäre Vater ertönt durch simples, aber durchschlagendes Tuba-Getröte.

Wer Inszenierungen Griesbachs kennt - im Puppentheater läuft mit großem Erfolg u. a. noch der anarchisch-schräge "Doktor Faustus reorganisiert" - weiß, dass sie weniger an fein psychologisierten Figuren interessiert ist als an allgemeingültigen Themenfeldern. So reizt sie an Hauptfigur Diederich Heßling weniger der individuelle Aufstieg, sondern die Strukturen des Systems dahinter. Und hier wird für sie der 100 Jahre alte Roman richtig aktuell, weil er für Griesbach nach wie vor gültige Fragen aufwirft: "Wie ist unser Verhältnis zu diesem Land heute, rennen wir nicht auch diesem Kaiser hinterher, ob er nun Apple heißt oder ein anderer Konsum-Gott ist, der uns im Endeffekt definiert, dabei zu sein, mitzumachen, uns aber am Ende auch komplett abhängig macht?" Dabei seien wir heute keinesfalls klüger, sondern - parallel zu Heßling - Teil des Systems.

Um einerseits den Abstand zu schaffen, aber auch einen unverstellten Blick zu ermöglichen, nutzt Astrid Griesbach einen aus dem Volkstheater stammenden Trick: Vier Buffoni (Spaßmacher, Narren) erzählen die Geschichte und bewegen sich quasi zwischen den Buchdeckeln des Romans. "Da sie selbst keine Figuren des Romans sind, schauen sie als heutige Zeitgenossen mit unserem Blick auf die Buchstaben von damals. Die Figuren sind so verrückt, dass sie von außen auf etwas schauen können, was wir selbst schon gar nicht mehr sehen, weil wir mittendrin sind im Zentrum", so Griesbach.

Welchen "Level" an "Untertan" man selbst belegt, lässt sich beim Besuch der Vorstellungen vielleicht erforschen.

Die Premiere am kommenden Freitag, 14. 2., ist bereits ausverkauft. Weitere Vorstellungen: 15. 2., 28. 2. und 1. 3. 2014.