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Grimme-Preis "Tatort" ist der Abräumer des Abends

Bei dem Grimme-Preis steht seit 50 Jahren nicht die Popularität, sondern
das bessere Fernsehen im Mittelpunkt. Das findet sich meist nicht im
Hauptprogramm, sondern kurz vor Mitternacht in kleinen Kanälen wie ARTE,
3sat oder ZDFneo.

07.04.2014, 01:30

Marl (epd) l In diesem Jahr trafen sich anlässlich des 50-jährigen Bestehens des Preises einige Fernsehlegenden auf der Bühne des Marler Theaters: Neben Klaus Doldinger, dem Komponisten der "Tatort"-Erkennungsmelodie, waren auch der Fernsehjournalist Gerd Ruge und der Filmemacher Heinrich Breloer zu Gast, die selbst im Laufe ihres Lebens mehrmals den Grimme-Preis entgegennehmen konnten.

Bundespräsident Joachim Gauck erinnerte anlässlich des Jubiläums daran, dass in der Nähe von Marl, in Duisburg, vor mehr als 30 Jahren Fernsehgeschichte geschrieben worden sei, als dort der "Tatort"-Kommissar Horst Schimanski (gespielt von Götz George) seinen Dienst aufnahm. Diese Figur eines unkonventionellen Kommissars habe am Anfang wütende Proteste hervorgerufen, weil man gefürchtet habe, sie würde dem Image des Ruhrgebiets schaden. Am Beispiel von Schimanski zeige sich, dass für gutes Fernsehen neben Mut zur Innovation auch Durchhaltevermögen nötig sei, sagte Gauck.

"Tatort" zum siebten Mal ausgezeichnet

Die Krimi-Reihe "Tatort", die seit mehr als 40 Jahren in der ARD läuft, erhielt an diesem Abend die Besondere Ehrung des Deutschen Volkshochschulverbands. Die Präsidentin des Deutschen Volkshochschul-Verbandes, Rita Süßmuth, betonte die Kraft der Reihe: Nicht jeder einzelne "Tatort" sei gut gewesen, aber die Menschen interessierten sich auch nach mehr als 900 Folgen noch sehr dafür.

Ulrike Folkerts und Andreas Hoppe, die die Ludwigshafener Kommissare Lena Odenthal und Mario Kopper spielen, nahmen den Preis stellvertretend für die 21 anderen "Tatort"-Teams entgegen. Folkerts wünschte sich "mehr Multikulti im "Tatort", und Gunther Witte, einer der Erfinder des "Tatorts", erinnerte daran, dass der Krimi ein gutes Vehikel sei, um wichtige Themen einem großen Publikum nahezubringen.

Ein "Tatort" wurde in diesem Jahr denn auch mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet: Es war die Wiener Folge "Angezählt", die im Milieu der Zwangsprostitution in Wien spielte. Der Schauspieler Harald Krassnitzer, der den Wiener Kommissar Moritz Eisner verkörpert, sagte, wenn der Film die Jury und das Publikum berührt habe, sei dadurch die Arbeit der Schauspieler "legitimiert". In der Geschichte des Grimme-Preises war es der siebte "Tatort , der ausgezeichnet wurde.

Fernsehen muss nicht neu erfunden werden

Das Fernsehen, das in Marl seit 50 Jahren ausgezeichnet wird, entspricht wohl am ehesten dem, was Bundespräsident Gauck in seiner Festrede von den Fernsehmachern forderte: Mut zur Innovation, individueller Zugriff, kontroverse Themen und ein langer Atem seien notwendig, sagte Gauck. "Wir brauchen selten den atemlosen Gestus der Empörung, aber andauernd den unbestechlichen Blick aus freiheitlicher und demokratischer Überzeugung." Der Bundespräsident wünschte sich mehr nachwirkende Dokumentationen, "die sich auch einmal mehr Zeit nehmen können als 45 Minuten".

Dass das Fernsehen nicht immer neu erfunden werden kann, betonte einer der jüngsten Preisträger: Jan Böhmermann, der den Preis für das "Neomagazin bei ZDFneo erhielt. "Das Publikum ist auch dankbar für Sachen, die schon vor 30 Jahren funktioniert haben , sagte er.

Sprach`s und sorgte gleich für eine oscarreife Innovation: Er wünsche sich ein "Selfie", also ein Foto mit dem Bundespräsidenten, sagte er. Gauck ließ sich nicht lange bitten, und das Foto, das Böhmermann anschließend als "Gaucki" auf Twitter postete, wurde noch in der Nacht mehr als 600-mal retweetet.