1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Schwarzhumoriger Besuch mit Blasmusik

Dürrenmatt-Klassiker Schwarzhumoriger Besuch mit Blasmusik

Premiere für "Der Besuch der alten Dame" im Theater der Altmark am
Sonnabend. Jürg Schlachters Inszenierung setzt auf schwarzen Humor. Und
hat damit offensichtlich den Geschmack des Publikums getroffen.

Von Birgit Tyllack 14.04.2014, 01:33

Stendal l Es ist ungeheuerlich, was die alte Dame, diese unglaublich reiche Claire Zachanassian, der kleinen Stadt Güllen anbietet: Eine Milliarde! Davon gehen 500 Millionen an die Stadt und 500 Millionen werden verteilt an alle Bürger.

Bitternötig ist dieses Geld. Die Stadt ist heruntergekommen, die Bürger haben kaum ein Auskommen. Doch alles hat seinen Preis und so stellt auch Claire ihre Bedingung. Gerechtigkeit will sie, die einstige Tochter dieser Stadt. Claire will ihren ehemaligen Liebhaber, Alfred Ill, tot sehen. Einst hat sie ihn geliebt, doch er ließ sie schwanger sitzen. Mehr noch: Er stiftete zu Meineid an und machte Claire damit zur Hure.

Nun, nach mehr als 45 Jahren dreht sie den Spieß um: "Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell."

Das unmoralische Angebot bewirkt bei den Bürgern Güllens zunächst Empörung. Wie kann man nur glauben, dass sie einen aus ihrer Mitte für schnödes Geld opfern würden! Entschlossen lehnen sie das Angebot ab. Wie es der Bürgermeister ausdrückt: "Lieber bleiben wir arm, denn blutbefleckt."

Doch gleichzeitig schöpfen sie neuen Mut, neue Lebensfreude aus der Sache. Auf Pump kaufen sie ein, lassen es sich besser gehen, machen Pläne, setzen Träume um ... Und allmählich wird allen klar, dass der Preis, den Claire genannt hat, zu zahlen ist.

Friedrich Dürrenmatt hat zu seinem Stück Folgendes geschrieben: "Die alte Dame ist ein böses Stück, doch gerade deshalb darf es nicht böse, sondern aufs Humanste wiedergegeben werden, mit Trauer, nicht mit Zorn, doch auch mit Humor, denn nichts schadet dieser Komödie, die tragisch endet, mehr als tierischer Ernst." Regisseur Jürg Schlachter hat sich ganz daran gehalten.

Das Publikum erlebt eine äußerst schwarzhumorige Aufführung, in der das Ungeheuerliche der Handlung nicht moralisierend hervorgehoben wird, sondern sich vielmehr aus dem Geschehen an sich ergibt. Schlachter lässt seine Darsteller jeweils nur kurz abtreten, um im nächsten Moment in einer anderen Rolle oder Funktion wieder aufzutreten. Eine tolle Choreografie entsteht, die durch die Musik eines Blechblas-Ensembles zusammengehalten wird. Musik ist ein wichtiger Faktor in dieser Inszenierung. Neben der Blasmusik werden immer wieder Lieder angestimmt (musikalische Leitung hatte Jakob Brenner).

Das Bühnenbild von Sofia Mazzoni ist minimalistisch, flexibel und wandelbar, die Darsteller sind gleichzeitig die Bühnenarbeiter.

Angelika Hofstetter ist die alte Dame. Ganz im Sinne des Autors lässt sie ihre "Dame" weder böse noch gut erscheinen. Hofstetters Claire ist humorvoll, doch unerbittlich und distanziert. Nur für wenige Augenblicke kann der Zuschauer eine verletzte Frau sehen, die Nähe sucht.

Alfred Ill wird von Hannes Liebmann gespielt. Er ist der perfekte Gegenspieler, der sich dort verändert, wo seine ehemalige Geliebte starr bleibt. Zu Beginn spielt Liebmann ganz den selbstbewussten Kaufmann: "... war schließlich ein Kerl, meine Herren, vor 45 Jahren!" Allmählich wandelt er seine Figur: vom tollen Hecht zum ängstlich Hilfesuchenden bis hin zum Bereuenden. Zum Schluss ist sein Ill der eigentliche Held der Geschichte.

Zwölf weitere Darsteller sind auf der Bühne zu erleben, in weit mehr als 20 Rollen. Sie alle tragen zu dem Erfolg dieser tragischen Komödie bei. Der langanhaltende Schlussapplaus galt dem gesamten Ensemble.