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Viel Beifall für Ostrowski-Schaupiel am Anhaltischen Theater Dessau Von "tollem Geld" oder warum "Armut keine Schande" ist

Von Helmut Rohm 24.01.2011, 04:27

Es ist ein langer, mit schmerzvollen Erfahrungen gepflasterter Weg, ehe der anfangs naive, grundehrliche Provinzler Sebastian Vasilkow und das einst extravagante Mädchen Lydia zusammenfinden. Das Schauspiel "Tolles Geld oder Armut ist keine Schande" von Aleksandr Ostrowski hatte am Freitag im Anhaltischen Theater Dessau eine mit viel Beifall aufgenommene Premiere.

Dessau-Roßlau. Regisseur Wolfgang Maria Bauer, der übrigens Uli Hoeneß ob dessen solider Sparpolitik beim FC Bayern bewundert, hat das 140 Jahre alte Stück Ostrowskis "in die Hand genommen und in das Heute gedreht". Nicht um es zu modernisieren um des Modernisierens willen, weil so etwas an manchen Theatern bei manchen Regisseuren modern sei. Das Thema Geld, wie die Menschen damit umgehen, wie Geld die Lebenshaltung beeinflusst - so oder so, vom Gesamtgesellschaftlichen hin bis im ganz Individuellen - ist höchst aktuell.

Nicht von ungefähr wohl lässt also Regisseur Bauer den Sebastian Vasilkow aus dem Provinzstädtchen Dessau in die große schimmernde Metropole gehen. Als staunender, zunächst meist nicht das Denken und Tun der anderen, der Schönen und (scheinbar) Reichen Verstehender. Durch Gerald Fiedler bekommt Vasilkow eine faszinierende Ausstrahlung. Das Publikum "leidet" mit der Naivität dieses Mannes, ist bedrückt von der Großkotzigkeit und Missachtung der anderen, selbst der Erniedrigungen durch die von ihm geliebte Lydia (Katja Sieder). Genauso freut es sich, wie sich Vasilkow von seinen Hemmungen befreit, seinen Weg der Solidität, Konsequenz und Ehrlichkeit, auch der unerschütterlichen Liebe zu Lydia geht. Vom scheinbaren Loser zum Winner: Das Gute siegt wohl doch. Hoffentlich. Denn in zu viel menschlich erschreckende Abgründe schaut der Zuschauer gemeinsam mit Vasilkow.

Ohne erhobenen Zeigefinger, doch mit trefflicher Zielsicherheit lässt Wolfgang Maria Bauer das Publikum in den berühmten Spiegel blicken. Wer etwas schräg hineinschaut, erkennt sicher einige solcher Zeitgenossen wieder. Wer gerade blickt, vielleicht auch etwas von sich selbst.

Lydia, die Vasilkow beim ersten Bühnenblick wie auf einem hohen Olymp erscheint, entpuppt sich als eine verzogene Göre, die nur haben möchte, meist bekommt und sich nie ernsthaft die Frage stellt, woher das Geld dafür kommt. Nicht minder Lebedame ist ihre Mutter Nadia (Christel Ortmann). Doch auch so "geschäftstüchtig", ihre Tochter zur Heirat anzubieten - auch an Vasilkow.

Den smarten äußeren Schein entlarvt das Stück als parasitäres Denken und Handeln. Bauer zeichnet glaubhafte Charaktere, wie Jean Teljatew (Uwe Fischer), lebensfroh und gleichsam bankrott - ein Verlierer. Heinz Kutschmov (Karl Thiele) ein vornehmer älterer Herr, der auf Kosten seiner reichen Gemahlin lebt - eigentlich auch ein Verlierer. Gerd Glumov (Patrick Rupar), ein gescheiterer Erbschleicher – erschießt sich. Ron Vasil (Hans-Jürgen Müller-Hohensee), treuer, fast treu-doofer Diener, bis zur makabren Selbsterniedrigung - wird immer nur zweiter Sieger sein.

Wolfgang Maria Bauer hat das Stück, zwar eine Komödie, aber mit durchaus sehr ernstem Hintergrund, flott und überaus humorvoll inszeniert. Er hat Über-Kreuz-Dialoge führen lassen, Gedanken durch Konstantin Bühler, unter anderem als "die Stimme", hörbar gemacht. Das Bühnenbild (Herbert Kapplmüller) verweist auf innere Zwänge.

Am Schluss erkennt Lydia, dass Armut (unter bestimmten Umständen) eigentlich keine Schande ist. Sie wird als Haushälterin bei ihrem Mann redlich arbeiten.

Und der Regisseur selbst hat – mal als reicher, mal als armer Vater mit seiner mal aus reichem, mal aus armem Haushalt stammenden kleinen Tochter Lydia (dargestellt von seiner sechsjährigen Tochter Fanny) die Bühne gequert.

Die nächsten Aufführungen sind in Dessau am 29. Januar und am 19. Februar, jeweils um 17 Uhr.