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Premiere von "Sommerf(r)ische oder F(r)isch zu viert" Sommertheater mit Puderzucker statt Arsen

Von Rolf-Dietmar Schmidt 23.06.2014, 01:53

Magdeburg l Es gibt Theaterstücke, die nicht enden wollen. Und es gibt welche, bei denen man traurig ist, dass irgendwann der Vorhang fällt. "Sommerf(r)ische oder F(r)isch zu viert" im Magdeburger Theater an der Angel gehört zu den letzteren. Freitagnacht war die bejubelte Premiere.

Sie haben sich in tiefe Gewässer begeben, die Angler vom Theater an der Angel, auf ihrer Insel zwischen der Alten und der Stromelbe, um "Sommerf(r)ische oder F(r)isch zu Viert" zu servieren. Dort, tief in den Abgründen des menschlichen Seins, haben sie den Stoff gefunden und auf die Bühne gehoben, der vermeintlich der Treibstoff menschlicher Entwicklung ist - die Gier.

Zwei Regisseure für dieses Stück sind ein Glücksfall

Wie weit ist man bereit, für Geld als Ausdruck dieser treibenden Leidenschaft, zu gehen? Wie eng ist Gier mit Niedertracht, Demütigung, unerfüllten Träumen und Hass verbunden? Das Theaterstück "Fisch zu viert" von Wolfgang Kohlhaase und Rita Zimmer bietet all das, und mit den Zutaten von Ines Lacroix und Matthias Engel gemeinsam als Darsteller mit Anne Preetz und Lars Wild, ist daraus eine schaurig-schöne Moritat zum Gruseln und Lachen geworden, wie man sie sich schöner in einer Sommernacht nicht wünschen kann. Die Villa selbst mit ihrem morbiden Charme ist ideale Kulisse, so dass die Ausstattung von TOTO und Bärbel Haage ganz in Feinheiten und Details aufgehen konnte. Therese Thomaschke, als Regisseurin der Angler-Sommertheater bekannt, hatte den begnadeten Schauspieler, Musiker und Regisseur Peter Wittig an ihrer Seite. Zwei Regisseure für ein Stück sind eher ein unkalkulierbares Risiko, aber hier war es ein Glücksfall.

Peter Wittig ist ein Meister der sparsamen Gesten, der Pausen, in denen mehr "gesagt" wird als mit langen Dialogen, während Therese Thomaschke die Handlung treibt. So knisterte es vor Spannung, selbst, wenn auf der Bühne nichts passierte, oder die Schauspieler ganz woanders agierten. Das ist Theater der Sonderklasse.

Protagonist der Geschichte ist der Kammerdiener Rudolf Moosdenger. Matthias Engel spielt ihn mit einer speziellen Mischung aus Devotismus, Raffiniertheit und Trippelschritten ungeheuer überzeugend. Seit Jahrzehnten ist er den reichen Brauerei-Erben Clementine, Cäcilie und Carlo Engel zu Diensten, und zwar in jeder Hinsicht.

Köstliche Mischung aus Arroganz und Lüsternheit

Die Erfüllung der zusätzlichen erotischen Wünsche der Herrschaft ließ sich Rudolf mit Rentenversprechen nach deren Tod vergelten. Doch als er nun wegen seiner angegriffenen Gesundheit auf vorfristige Einlösung der Versprechen pocht und mit Aufdeckung der Schändlichkeiten droht, beschließt jeder für sich, die Gegenseite umzubringen. Die einen, um das versprochene Geld zu sparen, Rudolf, um an das Geld zu kommen. Das Schicksal nimmt mit Arsen statt Puderzucker für den Diener und giftiger Engels-trompeten-Füllung im Fisch für die Herrschaft seinen Lauf.

Ursprünglich sind es drei Damen in "Fisch zu viert", aber das Theater an der Angel hat die Besetzung geändert. Während Ines Lacroix und Anne Preetz als Cäcilie und Clementine in ihren Rollen aufgehen, wird aus der Charlotte ein Carlo, den Lars Wild mit einer köstlichen Wechselmischung aus Arroganz und Lüsternheit spielt. Ines Lacroix kann in ihrer Rolle alle Register ziehen, und das macht sie auch, während Anne Preetz als das Nesthäkchen die eigentliche Entdeckung des Sommertheaters ist. Ihr Schauspieldebüt an diesem Abend begann vor einiger Zeit als Aushilfe beim Ausschank im Theater. Nach erfolgreichem Abschluss des Lehrerstudiums stand sie nun erstmals mit einer eigenen Rolle auf der Bühne. Und das mit Riesenerfolg.

"Sommerf(r)ische oder F(r)isch zu viert" steckt voller Witz und Ironie, ohne dabei jemals zu vernachlässigen, was eine Moritat ausmacht: den moralischen Hintergrund. Die Kunst, das so zu verpacken, dass es beim Gruseln und Lachen fast unbemerkt ans Herz geht, darauf verstehen sich die Angler vom Werder.