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Schönebecker Operettensommer Slapstick mit "Kleistermasse"

Die idyllische Freilichtbühne auf dem Bierer Berg nahe Schönebeck ist
mit dem Schönebecker Operettensommer wieder zum Leben erwacht.

Von Renate Bojanowski 30.06.2014, 01:38

Schönebeck l Der Wiener Regisseur Thomas Enzinger lüftete am Sonnabend in der 18. Auflage dieses Sommertheaters mit einem hochkarätigen international besetzten Ensemble und der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie das Geheimnis der "Maske in Blau". TOTOs Bühnenbild fesselt das Auge an überdimensionale Damenporträts, die durch liebevolle Details zu atmen scheinen. Stilisierte weiße Palmen sowie eine kleine freche Skulptur komplettieren das Bühnenbild und schicken den Zuschauer nach San Remo in Italien.

Der bisher erfolglose Künstler Armando Cellini (Kirliant Cortes) ist über Nacht mit seinem Bild "Maske in Blau" berühmt geworden. Er hat sich in die Frau verliebt, die er vor einem Jahr zeichnete und ihm dabei ihr Gesicht nicht zeigen wollte. Sie kommt zurück und will als Erkennungszeichen einen Ring tragen. Das Publikum lernt seine Freunde Franz Kilian (Alexander Klinger), Seppl Fraunhofer (Uli Scherbel) und dessen Freundin, die temperamentvolle Ungarin Juliska Varady (Nadine Hammer) kennen, und wenig später auch die argentinische Plantagenbesitzerin Evelyne Valera (Martina Schilling) und ihre Gesellschafterin Gonzola (Katharina Kutil). Das Verwirrspiel um die Liebe kann seinen Lauf nehmen.

Thomas Enzinger holt die Geschichte mit so viel Tempo und Esprit in die Gegenwart, dass der Zuschauer für drei Stunden seine Umgebung vergisst. Die enorme Spielfreude der Darsteller hat daran einen wesentlichen Anteil. Das Publikum pariert jede Wortverdrehung, jeden Slapstick von Franz Kilian, dem Alexander Klinger mit seiner speziellen Aussprache einen eigenen Charakter verleiht. Seine Vorstellung "...ich bin Angler und hatte schon viele Frauen am Haken..." provoziert genauso spontane Lachsalven wie das "...herzlich willkommen zu unserer Verunstaltung..."

Ein Geigenbogen aus dem Orchestergraben muss als Angel herhalten, die Meisterklasse mutiert zur Kleistermasse... Evelyne Valeras Gesellschafterin Gonzala heißt Frau "Gorgonzola". Im mondänen schwarzen Korsett kalauert sie nicht nur, was das Zeug hält - man nimmt es ihr auch ab!

Zauberhaft lyrisch, wunderbar hell und rein sind die Musikeinlagen: Martina Schilling mit "Frühling in San Remo" oder im Duett mit Kirlianit Cortes "In dir hab ich mein Glück gefunden" und "Schau einer schönen Frau nicht zu tief in die Augen" (ebenfalls Cortes). Ohrwurm reiht sich an Ohrwurm, Nadine Hammer und Uli Scherbel geben mit ihrem Gesang dieser Inszenierung die temperamentvolle Farbe.

Enzingers Handschrift bleibt unverkennbar. Wann kann man schon einmal eine Schlägerei in Zeitlupe live erleben. Auf der Bühne mimt er mit wallenden Locken im Leo-Look den Bösewicht Pedro dal Vegas.

Nach der ersten Tanz- und Stepeinlage hält es das Publikum kaum auf den Sitzen, es klatscht und jubelt von Bravo-Rufen unterbrochen. Unbedingt erwähnenswert: die herrlichen Kostüme, farbenfroh, detailverliebt und stilecht! Die Mitteldeutsche Kammerphilharmonie klingt frisch und frei, begleitet allzeit flexibel, einfühlsam und dynamisch. Schön improvisiert das Saxofon auf der Bühne. Gut, dass nun eine moderne Funkmikrofonanlage eine exzellente Textverständlichkeit garantiert.

Aufführungen bis 27. Juli mittwochs bis sonntags.