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Cranach, der Jüngere Der Maler der Reformation wird 500

Sie gaben der Reformation ein Gesicht. Cranach der Ältere und sein Sohn, dessen 500. Geburtstag im kommenden Jahr gefeiert wird, malten Luther und ihre Weggefährten. Viele ihrer Werke sind in Kirchen in Mitteldeutschland zu sehen - allerdings vom Verfall bedroht.

Von Dörthe Hein 25.08.2014, 01:27

Wittenberg (dpa) l Den Blick gesenkt, auf dem Kopf die weiße Haube als Zeichen für verheiratete Frauen - so blieb die junge Frau unter einem Holzrahmen verborgen. Dass ihr ein Nagel in den Kopf gerammt wurde, sah niemand der Besucher in der Wittenberger Stadtkirche. Wie unachtsam mit dem berühmten Reformationsaltar umgegangen worden ist, fanden Restauratoren erst jetzt heraus.

Vor dem großen Cranach-Jubiläum 2015 hat die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) mit der wissenschaftlichen Untersuchung und Restaurierung von Altären und Tafelbildern aus der Cranach-Werkstatt in Wittenberg begonnen. Die Kosten dafür liegen bei mehreren hunderttausend Euro.

Vater und Sohn arbeiteten in einer Werkstatt

Im kommenden Jahr wird an den 500. Geburtstag Lucas Cranach des Jüngeren (1515-1586) gedacht. Gemeinsam mit seinem Vater Lucas Cranach dem Älteren (1472-1553) gilt er als "Maler der Reformation". Mehr als 1000 Werke werden der Werkstatt des älteren Cranach bislang zugeschrieben, sagt die Kunstreferentin der EKM, Bettina Seyderhelm. Zahlreiche weitere entstanden unter der Leitung des Sohnes. "Uns geht es um die Tafeln, die bis heute am Ort ihrer Bestimmung sind", sagt die Expertin.

Wittenberg mit seinem 27 Quadratmeter großen Reformationsaltar und zehn weiteren Tafeln ist ein Vorzeigeprojekt. Aber schon da hat es einige Zeit gedauert, das Geld für die Arbeiten zusammenzubekommen: 270000 Euro Eigenmittel und Geld etwa von Stiftungen, dem Bund und dem Land Sachsen-Anhalt. Dabei geht es in erster Linie um die reine Erhaltung der Werke. Der Pfarrer der Wittenberger Stadtkirche, Johannes Block, erlebt derzeit ein Gotteshaus und eine 30.000-Einwohner-Stadt voller Baustellen. "Wer schön sein will, muss leiden", sagt er. Martin Luthers Predigtkirche wird derzeit generalsaniert und kann nur teilweise betreten werden.

Die Gemeinde sei in großer Vorfreude auf die Fertigstellung - und auch an der Sanierung des Altars und der Tafelbilder sehr interessiert. Gleichzeitig bedauert der Pfarrer, dass es quasi keine Großspender in der Region gebe, die das Projekt unterstützen - Kollegen in Dresden oder Leipzig hätten da ganz andere Erfahrungen.

Um die nächsten zwölf Cranach-Werke auf der Liste in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen zu konservieren, darunter Einzeltafeln und große mehrflügelige Altäre, werden nach Angaben der Kunstbeauftragten Seyderhelm noch einmal rund 450.000 Euro benötigt. Bislang sind rund 335.000 Euro zusammengekommen. Das Projekt "Cranach braucht Hilfe" ist eines, das noch auf Spenden angewiesen ist.

Weitere Restaurierungsarbeiten laufen beispielsweise in Aschersleben, Gardelegen, Kemberg, Naumburg, Halle, im sächsischen Torgau sowie in Weimar und in Neustadt an der Orla in Thüringen. Es ist ein riesiger Kraftakt für die Kirche. Aber Seyderhelm sagt angesichts des Cranach-Jubiläums: "Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, diese Chance zu nutzen und soviel wie möglich zu erhalten."

Selbst in vielen kleinen Dorfkirchen gibt es Bilder, die aus der Cranach-Werkstatt stammen. Allerdings müssen aufgrund der Fülle Schwerpunkte gesetzt werden. Ziel ist, so viele Werke wie möglich für die Nachwelt zu erhalten und öffentlich zugänglich zu machen.

Holzwürmer und Transportschäden

Schädliches Kirchenklima, Brände, manchmal sogar Gewehrschüsse, Transportschäden, Holzwürmer - die Schäden an den Cranach-Kunstwerken sind unterschiedlicher Natur. Über jedes Kunstwerk wachen Dutzende Experten und beraten eingehend über die Restaurierungs-Strategie.

Im Fall des Wittenberger Cranach-Altars überlegten sie lange, ob eine nachträglich aufgetragene Schicht, die auch noch stark verschmutzt war, tatsächlich abgetragen werden sollte. Letztendlich entschieden sie sich dafür. Braune Flecken verschwanden, das Bild strahlt jetzt wieder. Der Rahmen wurde wieder um das Bild herum gesetzt, so dass die lang verdeckte Zuhörerin Luthers wieder sichtbar ist - und der Predigt ohne Hindernis lauschen kann.