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Wagners "Lohengrin" in Magdeburg Verloren in der verschlossenen Welt

Auf der Bühne am Ende Tote und Zerstörte, im Zuschauerraum ausgiebiger Jubel - "Lohengrin", wie er sein muss. Die Spielzeiteröffnung für das Magdeburger Opernensemble ist vollauf gelungen.

Von Irene Constantin 20.09.2014, 01:13

Magdeburg l Aus dem Orchestergraben Töne wie geschmolzene Silberfäden, auf der Bühne eine Stahl-Beton-Architektur. In diesem Widerspruch liegt die Grundspannung des Abends. Harald Thor baute eine in sich verschlossene Welt, Wagners Musik sucht kosmische Weiten. Die Kostüme deuten eine militante Gesellschaft zwischen Mittelalter und Science Fiction an. Der stark geforderte Chor dieser wenig unterscheidbaren Mannen und männlichen Frauen fand sich musikalisch von Akt zu Akt besser zusammen.

Regisseur Andreas Baesler sieht Elsa und ihren Jünglings-Bruder Gottfried, beide dunkelhäutig, ebenso außerhalb der Gesellschaft wie Lohengrin. Die hermetische Verlorenheit dieser drei ist sein wesentlicher Spielgedanke. Viel mehr an Personenbeziehungen oder gar eine Deutung des Werkes suchte man vergebens.

Einen jeweiligen Charakter verliehen die Sänger ihren Figuren wohl eher selbst, im Kleinen gern komisch. Der Heerrufer Peter Bording gab einen dezenten Sicherheitschef mit markanter Stimme; die "Vier brabantischen Edlen" waren herrlich blasierte Zyniker, die "Vier Edelknaben" strahlten vor Eifer. Und noch einmal vier: tolle "Königstrompeter".

Schön gerundeter purer Lyrismus

Selbst Telramund, der seiner Ehre beraubte tugendsame Ritter, hat irgendwann ein Lächeln auf den Lippen. Roland Fenes sang diesen treudeutschen Recken mit einer feinen Resignation. Machtlos in seinem geradlinigen Denken und Tun hat er nur ein kopfschüttelndes Grinsen für die unbeirrbare Intriganz seines Ehegesponses.

Undine Dreißig war stimmlich das Gegenteil der üblichen lodernd-nachtschwarzen Ortruds: schön gerundeter purer Lyrismus; Überlegenheit signalisierend. Selbst in extremen Ausbrüchen beherrscht sie mittels ihrer Stimme auch ihre Spielfigur. Dreißig gibt sie niemals hysterischer Lächerlichkeit preis.

Corby Welch in der Titelpartie: in der Öffentlichkeit stahlstimmig. Im Privatgemach ein Mann, der nicht Schwanenritter sondern Liebender sein will: feinste intime Töne gegenüber Elsa, überraschende Stimmfarben für seine innersten Wünsche, schiere Verzweiflung, wenn seine Vergangenheit nach ihm greift. Ein sensibles Männerporträt in balsamischem Gesang.

Für Elisabeth Llewellyn als Elsa war man eingenommen, sobald sie den Mund auftat. Unschuldig, traumsichtig, lieblich sich verströmend im keuschen Wohllaut bis zur Szene im Brautgemach. Dort erwacht sie zum Leben, und ist sofort gnadenlos überfordert. Sie weiß nicht, was sie singt und tut, Llewellyn spielt das eindringlich. Überhaupt das "Brautgemach" - der langsame Sturz von der Liebeslust zur fahlen Trostlosigkeit gelingt enorm spannend.

Das Hauptverdienst daran hat Titus Engel. In den ersten beiden Akten entlockte er dem hochkonzentriert musizierenden Orchester vor allem einen stets, auch in pompöser Blechgewalt, schlanken Wohlklang. Engel ließ Sänger, Musiker und das Publikum ausgiebig in purer Schönheit schwelgen, manchmal wenig zielgerichtet. Im dritten Akt aber zog er das gelegentlich arg langsame Tempo spürbar an, die Klangbögen wurden deutlich markanter ausmusiziert, die Beziehung zur Szene genauer. Am Schluss der Widerspruch. Die gebrochenen Figuren sind noch einmal erschlagen von orchestralem Bombast. Und dann - siehe oben.

Weitere Aufführungen: 21. September, 3., 10., 19. Oktober und im November