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Heinrich Zille Das alte Berlin als fotografische "Milljöh"-Studie

Er zeigt das "Hinterteil der Stadt". Viele kennen Zilles Zeichnungen,
wenige die realistisch-harten Fotografien über "Das alte Berlin".

02.01.2015, 01:25

Berlin (dpa) l Der Fotograf Heinrich Zille ist bis heute weniger bekannt als der Maler und Zeichner von "Zilles Milljöh" der armen und kleinen Leute in der Großstadt. Dabei hat der gelernte Lithograph bis 1907 in einem reprographischen Betrieb, der "Photographischen Gesellschaft", gearbeitet. Und in dieser Zeit zog er mit der damals noch etwas voluminöseren Kamera quasi als einer der ersten "Street Photographer" durch die Stadt, vorzugsweise durch seinen Kiez Charlottenburg, der mit seinen Brachflächen, Müllhalden, Bretterzäunen und Mietskasernen erst noch zum späteren Berliner Stadtteil heranwachsen sollte.

Jetzt sind seine realistisch-harten Fotografien über "Das alte Berlin" von 1890-1910 neu herausgegeben worden, in den Abzügen von Thomas Struth und mit Texten der kanadischen Fotokünstler Jeff Wall und Roy Arden sowie dem Kunsthistoriker Wolfgang Kemp.

Der "Rinnstein-Künstler", wie Kaiser Wilhelm Künstler wie Zille (1858-1929) und Max Liebermann abschätzig zu nennen pflegte, zeigt den ungeschönten Alltag der wachsenden Metropole auf den morastigen Straßen, dem "Hinterteil der Stadt", wie es die kanadischen Fotokünstler in ihren erläuternden Texten nennen. Es ist das Berlin der Kieze, der kleinen Leute, Zille fotografiert die "Prosa des Lebens" und die "dunklen Seiten": Hinterhöfe, dunkle Hauseingänge und nasse Treppenhäuser, Wochenmärkte, Rummelplätze mit Attraktionen wie "Der wunderbare Leichnam", im Schlamm spielende Kinder, Straßenecken mit ihren "Destillen" ("Rum, Arac, Cognac, feine Liqueure") und Souterrain-Läden mit Schildern wie "Einkauf Lumpen Knochen".

Zwar hat Zille davon oft seine Motive für die späteren Zeichnungen genommen, aber "das Knubbelig-Runde, ewig Pausbäckige und leicht Schwammige der Zille-Menschen haben die photographierten Berliner nicht aufzuweisen", wie der Kunsthistoriker Kemp betont. Hinzu kommen auch noch die Familienfotos von "Vater Zille" aus der Wohnung, mit Eltern und Großeltern oder bei Sonntagsausflügen.

Erschienen ist das Buch "Das alte Berlin, Photographien von Heinrich Zille 1890-1910" von Thomas Struth, Jeff Wall, Roy Arden und Wolfgang Kemp im Schirmer/Mosel Verlag, München. Der Bildband kostet 29,80 Euro.