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Premiere von Manns "Buddenbrooks" in Stendal Der Untergang einer Familie

Kann "Buddenbrooks", dieser umfangreiche Roman Thomas Manns auf die Bühne gebracht werden? Durchaus. In der Bühnenfassung von John von Düffel, die sich auf die wesentlichen Personen, das heißt auf Bethsy und Jean Buddenbrook und ihre Kinder Thomas, Christian und Antonie (Tony) beschränkt.

Von Birgit Tyllack 02.02.2015, 01:28

Stendal l Drei Stunden lang ging es am Sonnabend bei der Premiere im Großen Haus des Theaters der Altmark um den Untergang dieser einst so einflussreichen und angesehenen Kaufmannsfamilie. Um den finanziellen Abstieg, aber auch um den Verfall der Familie an sich. In der Inszenierung von Cordula Jung wird nicht Partei ergriffen, was zuerst da war. Falsche Entscheidungen auf allen Gebieten stürzen die Familie nach und nach ins Unglück.

Gespielt wird auf einer Bühne, die kaum Umbauten braucht. Wände mit Türen, hinten öffnet sich ab und zu ein Blick in diffuse Weiten. Grandios einfach erdacht von Mark Späth. Im Laufe des Stücks wird aus einem eleganten Salon peu à peu ein düsterer, unfreundlicher Raum.

Die Kostüme von Ausstatterin Sofia Mazzoni sind zeitgenössisch und ebenfalls einfach, nur manchmal durch kleine Accessoires ergänzt. Lediglich in der zweiten Hälfte, als Trauer im Hause Buddenbrooks Einzug gehalten hat, werden helle Töne durch Schwarz ersetzt.

"Arbeite, bete und spare" ist das Credo Konsul Jeans. Er wird verkörpert von Hannes Liebmann, der wunderbar die Zerrissenheit zwischen Vaterliebe und Geschäftsinteressen ausspielt. Thomas, Tony und Christian wachsen im Bewusstsein auf, dass man sich "Pflicht und Bestimmung" nicht entziehen kann. Doch beides geht nicht immer einher.

Trotzig, schwärmend, unreif

Tochter Tony wird durch die Heirat mit dem unangenehmen Grünlich ins Unglück gestürzt, Sohn Christian ist am Ende ein heftig psychisch gestörter Mann. Und Thomas, nach dem Tod des Vaters Chef des Unternehmens, verliert nicht nur das Vermögen, sondern verschlimmert die Geschicke der gesamten Familie durch seine Härte und Kälte, die er sich erworben hat.

Regisseurin Jung lässt Michaela Schulze eine beinahe pubertäre Tony sein. Trotzig, schwärmend, unreif. Thomas Weber begeisterte als Grünlich - und später auch als Permaneder. Er spielt diese Mitgiftjäger abstoßend und komisch zugleich.

Volker Wackermann und Michael Putschli als ungleiche Brüder Thomas und Christian sind absolut grandios. Putschli zunächst ein charmanter Filou, dessen hypochondrische Anwandlungen äußerst witzig wirken. Später dann ein gebrochener Mann, dem Wahnsinn nahe. Volker Wackermann wird immer härter, gefühlskälter und einsamer.

Besonders anrührend die Szenen, in denen deutlich wird, dass sich beide zum anderen hingezogen fühlen, allen Unterschieden zum Trotz oder gerade deswegen. Die Brüder sehnen sich nach Nähe, doch Umarmungen misslingen.

Sämtliche Schauspieler in Jungs Inszenierung überzeugen. Angelika Hofstetter als Konsulin Bethsy ebenso wie Andreas Müller in dreierlei Nebenrollen oder Annett Siegmund als Gerda. Thomas´ Sohn Hanno wurde bei der Premiere von Jacob Schwarzlose gespielt, für die weiteren Aufführungen teilt sich das Nachwuchstalent die Rolle mit Luca Giebelmann.

Großartige Darsteller

Ungefähr 15 Minuten vor der eigentlichen Schlussszene gibt es eine Szene, in der Thomas im Familienalbum einen doppelten Schlussstrich unter dem Stammbaum entdeckt. Sein Sohn hat ihn gesetzt. "Ich glaubte, es käme nichts mehr." Das wäre ein schöner Schluss gewesen! Jung hat sich entschlossen, die Geschichte dem Roman entsprechend weiter zu erzählen. Mit dem Erfolg, dass die Handlung, die bis dahin stringent und spannend erzählt wurde, allmählich "verebbt", statt mit einem "Schlussstrich" zu enden.

Trotzdem: Lang anhaltender Beifall für großes Theater mit großartigen Darstellern.

Nächste Aufführungen: Sonnabend, 7. Februar, und Sonnabend, 4. April, jeweils 19.30 Uhr, Großes Haus Stendal