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Moritzburg in Halle zeigt die Brücke-Maler mit ihrer Porträtkunst Einblicke in den Gemütszustand

Das Kunstmuseum Moritzburg Halle ist im Moment ganz auf Porträts
eingestellt. Es widmet dem Porträtfotografen Nickolas Muray (1892-1965)
eine Retrospektive, betrachtet in einem Projekt das "Selfie mit Kunst"
und zeigt in der Sonderausstellung "Du und ich" expressionistische
Porträtkunst. Ein Blick in die Expressionisten-Schau.

Von Grit Warnat 27.02.2015, 02:16

Magdeburg l In den Ausstellungsräumen der Sammlung Gerlinger fällt der Besucherblick sofort auf das Gemälde "Du und Ich" von Karl Schmidt-Rottluff. Es inspirierte das Museum zum Titel der Exposition und ist für Sammlungsleiter und Kurator Wolfgang Büche ein Beispiel für ein "Bildnis", nämlich Schmidt-Rottluffs Frau Emy, und ein "Selbstporträt". "Du und ich" ist das Hochzeitsbild der beiden. Komplementärkontraste, Grün, Rot, Braun, Gelb sind die bildbestimmenden Farben. 1919 ist es entstanden, da war der Erste Weltkrieg vorbei und die Künstlervereinigung Brücke, wichtiger Wegbereiter des deutschen Expressionismus, schon längst wieder aufgelöst. Die Ausstellung macht zeitlich dort keinen Halt, sie begleitet die Künstler weiter, beleuchtet das Bildnis im gesamten Schaffen.

Frauen, Freunde, Künstlerkollegen
Emy als Mosaik-Darstellung, die alternde Gefährtin aus Scherben, Glassplittern, Porzellan - Fundstücke von der Ostsee. Immer wieder Frauen, immer wieder Freunde, Künstlerkollegen wie Alfred Döblin, Elke Lasker-Schüler, Paul Klee. Porträts neben Selbstbildnissen, chronologisch zusammengestellt.

Frühe Selbstporträts von Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel und Ernst-Ludwig Kirchner, die beim genauen Betrachten schon erkennen lassen, was sich an Charakter, an Lebensweg, an Persönlichkeit ausprägen wird. Schmidt-Rottluff zeigt sich als der ruhige, der zurückgezogene Arbeiter, pfeiferauchend dargestellt, daneben der kluge Kopf Heckel, verschmitzt aussehend, und Kirchner auf einem kleinen, hochformatigen Blatt, der sich als angehenden Künstler porträtiert. Er stellt sich in einer kühnen, den Kopf angeschnittenen Arbeit dar, gegen die Traditionen ankämpfend. Stolz und sich seiner selbst bewusst.

Ein Gesicht ohne Augen und zerklüftete Haut
Für Kurator Büche geben die Künstler mit ihren Arbeiten immer wieder neue Einblicke in ihren Gemütszustand. "Sie legen von sich selbst etwas offen", sagt er und verweist auf Schmidt-Rottluffs Selbstporträts. Sie hängen nebeneinander: Der Künstler ohne Augen, das Gesicht verschlossen, während das andere den Betrachter offen anschaut. Im Alter sieht sich Heckel zerklüftet, vom Leben gezeichnet, die Falten sind tief in das Holz geschnitten. In Aquarellen sehr kraftvoll hingegen Schmidt-Rottluff.

Zwischendrin mit einer eigenen Bildsprache Cuno Amiet (1868-1961), Schweizer Maler, Zeichner, Grafiker, aktiver Motor in der "Brücke"-Ausstellungstätigkeit im südlichen Raum. Beeindruckend der Kirchner-Holzschnitt "Sennkopf" aus dem Jahr 1912 aus der Einsamkeit der Schweizer Bergwelt. Kirchner, ein genialer Zeichner, lebte von 1918 bis zu seinem Tod 1938 in Davos und ließ sich immer wieder inspirieren von der Schweizer Kultur und dem Leben.

Eingebunden in die Ausstellung sind auch einige Neuerwerbungen von Hermann Gerlinger wie eine Selbstbildniszeichnung Kirchners von 1905/06 und ein Selbstporträt des fast 90-jährigen Schmidt-Rottluff von 1973/74, das noch nie in der Öffentlichkeit zu sehen war.

"Du und ich" mit 70 Gemälden, Zeichnungen, Aquarellen, Druckgrafiken ist bis zum 3. Mai zu sehen. Geöffnet: täglich außer Mi., 10 bis 18 Uhr.