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Cornelia Froboess als "Frau Wernicke" beim Kurt-Weill-Fest in Magdeburg Subversiver Tratsch im Funkhaus

In seinem 23. Jahrgang macht das Dessauer Kurt-Weill-Fest zum ersten Mal einen Abstecher nach Magdeburg. Mit "Frau Wernicke: Kommentare einer Volksjenossin" gestaltete Cornelia Froboess am Freitagabend die erste ihrer insgesamt drei Veranstaltungen.

Von Helmut Rohm 09.03.2015, 01:36

Magdeburg l Schauspielerin Cornelia Froboess hat die "Frau Wernicke" vor längerer Zeit schon einmal zum Leben erweckt. Für das Kurt-Weill-Fest ist aber ein ganz neues Programm entstanden. Dass dafür das MDR-Landesfunkhaus in Magdeburg den intimen Rahmen bot, konnte passender nicht sein.

Cornelia Froboess sitzt am rechten Rand der kleinen, in lila-blaues Licht getauchten Bühne, auf der mit ihr das Julia-Hülsmann-Quintett steht, und erzählt den etwa 120 Zuschauern zunächst, was es mit "Frau Wernicke" auf sich hat.

Bruno Adler, Kunsthistoriker und Bauhaus-Experte, emigrierte 1936 nach London und schuf die Kunstfigur für den Deutschen Dienst der BBC. Zwischen 1940 und 1944 werden die Monologe der deutschen Hausfrau ausgestrahlt, die "mit lockerem Mundwerk plaudert, die Nazis lächerlich und den Gegnern Mut macht", erzählt Cornelia Froboess, die als Artist-in-Residence das Weill-Fest mitgestaltet. Damals spricht die ebenfalls nach England emigrierte Schauspielerin und Kabarettistin Annemarie Hase den "subversiven Klatsch und Tratsch mit Berliner Schnauze". Nun also hat sich Cornelia Froboess der "Volksfigur mit Zille`schem Format" angenommen.

Den zynisch-satirischen Ton bestens getroffen

Authentisch ist der Dialekt der in Berlin aufgewachsenen Schauspielerin und ehemaligen Schlagersängerin. Ebenso eindringlich wie den zynisch-satirischen Ton bestens treffend ist ihr Vortrag der "Kommentare einer Volksjenossin".

Die setzt an diesem Abend ein mit "Frau Wernicke zu Führers Geburtstag, 19. April 1941". Und schnell wird klar, warum sich in große Gefahr begab, wer im Deutschland jener Zeit diese "Stimme des Überlebens, die Stimme der Wahrheit" des "Feindsenders" BBC hörte.

Ja, da sei der Frühling, da "kriegt der (Hitler, d.A.) ´ne ganz andere Eroberungssucht", nimmt Frau Wernicke Bezug auf den Balkan-Krieg, bei dem einem "jede Menge hoch kommen muss - vor Begeisterung natürlich...". Und Hauptsache, es gebe zum Geburtstag eine schöne Illumination, was spielten da ein paar tausend tote Frauen und Kinder ein Rolle... Jeder Satz eine messerscharfe Anspielung, eine entlarvende Doppeldeutigkeit.

"Frau Wernicke" philosophiert am 17. Mai 1941 über Rudolf Hess, der, unmittelbar zuvor in britische Gefangenschaft geraten, "hat an humanitären Ideen gelitten" und war "die erste Ratte, die das Schiff per Messerschmidt verlässt".

Sie ist im Gespräch mit Iwan, dem aus der Ukraine gekommenen Kellner. Fordert "Miesmachen gilt nicht" zum neuen Jahr am 31. Dezember 1941. Das vergangene Jahr sei kaum zum Aushalten gewesen, aber "wir haben es ausgehalten". Und nun: "Keiner sieht die braune Not, malst du sie rosarot." Die Rede ist auch von der Lage in Russland und Libyen. "Der Führer hat eine großartige Völkerwanderung organisiert", heißt es zum vierten Jahrestag des Kriegsbeginns. Latsch und Bommel sind Hitler und der Duce.

Musikalisch einfühlsame Arrangements

Am 29. Januar 1944 muss auch Frau Wernicke "fort aus der treuen Heimat in die Fremde". Auf Wiederhören. "Ich hab so Heimweh nach dem Kurfürstendamm" spielt da das Julia-Hülsmann-Quintett.

Jazz-Pianistin Julia Hülsmann hat für die Musik von Weill bis Eisler, von Jary bis Kamp, vom "bunten Luftballon" bis zur "Chelsea Bridge" wunderbare einfühlsame, aber auch kraftvolle Arrangements mit packenden Soli (besonders Uli Kempendorff mit Saxofon und Klarinette wie Julia Hülsmann selbst) geschaffen.

Text und Musik gehen eine ganz reizvolle Verbindung ein, schaffen so auch eine Leichtigkeit für ein intensives Thema.

Viel Beifall gab es für diesen Abend.