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Fernsehkoch Horst Lichter "Es ging nur noch um Kohle"

27.03.2015, 01:21

Horst Lichter hat neben Rezepten auch kesse Sprüche auf Lager - zum Beispiel im Volksstimme-Interview mit Redakteurin Elisa Sowieja. Da sprach der Fernsehkoch über Kollegen, seine Frau und Mick Jagger.

Volksstimme: Herr Lichter, wenn ich mir ein Steak brate, massakriere ich es immer mit einem Messer - aus Angst, ich verpasse den Punkt, an dem es innen rosa ist. Haben Sie einen Tipp?
Horst Lichter: Drehen Sie einfach die Garung um. Sie heizen den Ofen auf 65 Grad vor, legen das Filet eingerieben in Öl auf ein Backblech, streuen ein paar frische Kräuter darauf - Thymian, Rosmarin, Knoblauch. Stecken Sie es für 30 bis 40 Minuten in den Backofen. Dann müssen Sie das Steak nur noch ganz kurz von links und rechts anbraten.

Wie oft werden Sie denn um Kochtipps gebeten?
Gar nicht so wahnsinnig oft. Das ist wohl bei meinen Kollegen häufiger der Fall, weil sie das Kochen in den Vordergrund stellen. Ich denke, bei mir merkt man, dass mehr der Mensch im Mittelpunkt steht.

Und wenn Sie doch mal gefragt werden, nervt Sie das?
Das gehört einfach zum Beruf. Wenn mich das nerven würde, wäre es einfach, all die Dinge abzuschaffen. Ich habe zum Beispiel kein Verständnis dafür, dass einige Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, sich darüber aufregen, dass sie fotografiert werden oder Autogramme schreiben sollen. Wenn sie das stört, hätten sie vielleicht lieber einen anderen Beruf wählen sollen.

Immer mehr Ihrer Kollegen kochen im Fernsehen - nach Ihrem Geschmack zu viele?
Wenn etwas Erfolg hat, gibt es viele Menschen, die es nachahmen. Die einen haben Glück, die anderen sind nur kurze Zeitzeugen. Aber ich gönne den Menschen ihren Erfolg.

Das klingt sehr entspannt.
Na klar. Es gab mal eine Zeit, da liefen im Fernsehen vier Talkshows hintereinander, und das in zig Programmen. Dann starben viele weg, ein paar blieben. Danach gab`s Gerichtsshows ohne Ende, und auf einmal waren fast alle weg. Vielleicht sind auch irgendwann viele Kochshows verschwunden.

Die Faszination für Kochsendungen hält schon einige Jahre an. Was denken Sie, woran das liegt?
Das liegt daran, dass es irgendwann Unterhaltung wurde. Kochen gab`s immer schon im deutschen Fernsehen, aber nie wurde es groß thematisiert. Denn es war eine Art Schulfernsehen, wo man der Hausfrau geholfen hat. Seitdem sich das geändert hat, gucken auch andere Menschen zu. Von meiner Sendung weiß ich zum Beispiel, dass sie viele sehen, die absolut nicht kochen können und möchten.

Ihre Faszination für den Beruf Koch war zwischenzeitlich verlorengegangen. Nach Ihrer Ausbildung arbeiteten Sie einige Jahre im Bergbau. Wie kam es dazu?
In meiner Lehrzeit war der Beruf so, wie ich ihn mir erträumt habe: Ich arbeitete in einem Lokal, wo man wegen des Chefs hinging. Der war ein guter Unterhalter und hat ausgesprochen gut gekocht. Dort, wo ich danach war, ging`s nicht mehr um die Menschen, sondern nur noch um Kohle. Da wurde dann auch die "Rum-Fort"-Suppe erfunden: Alles was rumstand, musste fort und kam in die Suppe. Das war nicht meine Welt. Also dachte ich mir, ich gehe arbeiten und lebe mein Leben neben dem Beruf. Erst durch meine Krankheit bin ich wachgeworden.

Sie hatten damals binnen zwei Jahren zwei Hirnschläge und einen Herzinfarkt.
Genau. Damals habe ich gesagt, meine Herzenssache sind Menschen. Also habe ich einen eigenen Laden aufgemacht und so meine eigene kleine Welt gebaut. Dort stand mein Kohleofen vor den Gästen, sie haben mir beim Kochen zugeguckt und hatten Spaß. Es war eine Insel, wo man sein konnte, wie man wollte und wo ich jeden geduzt habe.

Geht es in Lokalen heute noch so zu, wie Sie es schildern?
Man findet Lokale, wo wirklich lecker gekocht wird. Das müssen gar kein Sterne-Restaurants sein. An manchen Orten geht es aber immer noch so zu wie damals. Ich reise ja viel, bis zu 300 Nächte im Jahr bin ich im Hotel. Da erlebe ich oft, dass Menschen in dem Beruf arbeiten, die ihn augenscheinlich nicht mögen. Das verstehe ich nicht. Ich kann doch nur in der Gastronomie arbeiten, wenn ich Menschen mag, denn ich bin ja Gastgeber für fremde Menschen.

Wie erkenne ich ein gutes Restaurant?
Sie erkennen es erstens daran, wie Sie empfangen werden - ob man Sie anguckt. Und zweitens: Desto kleiner die Speisekarte, desto besser wird meist gekocht.

Sie geben im Beruf jede Menge Koch-Tipps. Haben Sie das Bedürfnis auch bei Ihrer Frau?
Nein. Meine Frau kocht exzellent und mit viel Freude. Sie liest Kochbücher wie andere Romane. Zu Hause koche ich von 100 vielleicht zwei Mal.

Auf Ihrer Tour erzählen Sie manche Anekdote - etwa die, wie Sie mal in Ihrem Lokal Mick Jagger nicht erkannten. Können Sie mit den Rolling Stones nichts anfangen?
Doch. Aber bei mir im Lokal waren immer so viele Menschen. Da dachte ich oft, ich hätte jemanden schon mal gesehen, konnte ihn aber nicht einsortieren. Damals wusste ich nur, da kommt jemand Berühmtes. Dann saßen dort 20 Mann, und die Security sicherte das Gebäude, als würde der Papst kommen. Irgendwann habe ich einen von denen gefragt: Wer ist denn hier der Berühmte? Ohne Blödsinn: Wenn Sie Mick Jagger mal in echt sehen, werden Sie feststellen: Wäre er nicht dieser berühmte Sänger, sondern ein normaler Arbeiter, würde er nicht auffallen.

Bevor Sie zuletzt in Magdeburg waren, haben Sie der Volksstimme gesagt, Sie würden gern Spezialitäten aus der Region kosten. Was gab es denn?
Leider hatte ich dafür keine Zeit. Wir sind in der Nacht vorher angekommen, dann habe ich ausgeschlafen, im Hotel eine Kleinigkeit zum Mittag gegessen, dann ging`s auf die Bühne. Nachts sind wir in die nächste Stadt gefahren. Ich habe aber den Wunsch, mich mal aufs Motorrad zu setzen und ein paar Wochen lang die neuen Bundesländer abzufahren. Dann hätte ich auch Zeit, mich durchzuprobieren.

Wenn diesmal noch jemand einen Kochtipp braucht...
Ich mache immer nach der Show eine Autogrammstunde.