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Konzert in Wernigerode Streicher, Holzbläser und Blech im Dialog

Von Hans Walter 27.05.2015, 01:25

Wernigerode l Ein riesiges Aufgebot an jungen und jüngsten Musikern spielte am Pfingstwochenende für über 400 Besucher im Fürstlichen Marstall Wernigerode die 5. Sinfonie in c-Moll von Ludwig van Beethoven. Die "Schicksalssinfonie". Ein großes Erlebnis!

Das Jugendsinfonieorchester des Konservatoriums Magdeburg war nach einer intensiven Probenwoche in Schierke zum Konzert angetreten. Nie zuvor hatte der Dirigent und Komponist Bernhard Schneyer eine komplette Sinfonie angesetzt. Zeichen für die semiprofessionell gestiegene Leistungsfähigkeit seiner Nachwuchstalente. Schneyer dirigierte auswendig.

Er ist kein Stardirigent, wohl aber ein begnadeter Orchestererzieher mit großem Gefühl. Er weckt nachhaltige Spielfreude und virtuoses Können - einerlei, ob seine jungen Leute einmal die Musikerkarriere einschlagen oder ob sie später "nur" aus Spaß an der Freude spielen werden. Sie zu erleben, war beglückend.

Beethoven komponierte an der heroischen Sinfonie vier Jahre. "So klopft das Schicksal an die Pforte." Gemeint war der schreckliche Schicksalsschlag seiner Ertaubung. "Ganz niederbeugen soll er mich gewiss nicht!" Und die scheinbar unabwendbare Besetzung Deutschlands und Österreichs durch Napoleon spielte in den Jahren nach 1806 auch in die Musik hinein. Ein Fatum.

Schneyer ging das Werk besonnen und relativ langsam an, doch mit zupackender Entschlossenheit. Sehr nah bei den Musikern; ohne stocken und zögern, ohne Abbruch. Mit motorischer Kraft getrieben. Die Musik steigt auf und hinab; immer wieder pocht das Schicksalsmotiv. Eine Kampf-und Siegesmusik voll elementarer dramatischer Wucht, ein Jubelsturm in strahlendem C-Dur zum triumphalen Schluss. Schneyer entwickelte die Gedanken im Spiel, ließ die Orchestergruppen fein differenziert hervortreten. Die Streicher, die Holzbläser und das Blech waren im Dialog. Das Publikum brach in stehende Ovationen und Bravorufe für das Orchester und Schneyer aus.

Den zweiten Teil bestritt das Sinfonieorchester des Konservatoriums Le Havre (Frankreich) unter Leitung seiner Dirigentin Annick Villanueva. Der Klangkörper folgt einem ganz anderen Prinzip - 26 junge Leute und 16 erwachsene Schüler musizierten gemeinsam. Auf gemeinsamer musikalischer Bildungsstufe.

Sie spielten den ersten Satz aus Schuberts "Unvollendeter" und das Wiegenlied und das Finale aus Strawinskys Ballettmusik "Der Feuervogel". Besonders der "Feuervogel" von 1910 lag den Musikern. Das Flirrende und Schwirrende des Vogels, ein kontrastreiches Spiel mit großem Reiz des melodieführenden Fagotts, die Erlösung durch Mitleid. Das Finale ist hymnisch und russisch-prächtig. Das Horn erhebt sich über Violinen und Flöte; Klavier (Celesta), Harfen und Pauken klingen wie Glocken. Wie eine große russische Prozession. Man ist ein bisschen an Modest Mussorgski ans große Tor von Kiew aus seinen "Bildern einer Ausstellung" erinnert. Das haben die Franzosen fein hinbekommen.

Zum Abschluss spielten beide Orchester gemeinsam die Filmmusik aus "Forrest Gump" von Alan Silvestri. Sie hatten dafür zwei Tage in Schierke geprobt. Zuerst unter dem Dirigat von Schneyer - männlich und entschlossen. Dann als Zugabe mit der Dirigentin Annick Villanueva. Sie war ganz anders - lieblich und verträumt. Hier trafen ein männliches und ein weibliches Prinzip aufeinander. Yin und Yang wurden zum Ereignis im Konzert.

Ein weiteres Konzert des Jugendsinfonieorchesters im Opernhaus Magdeburg am 9. Juni, 19 Uhr, mit Beethovens 5. Sinfonie und Filmmusik im zweiten Teil