1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Fotografische Geschichte der Magdeburger Fotografin Lore Krüger

Kunstmuseum Magdeburg Fotografische Geschichte der Magdeburger Fotografin Lore Krüger

Von der Berliner C/O-Galerie ist eine Ausstellung nach Magdeburg gezogen: "Lore Krüger. Ein Koffer voller Bilder" ist im Kunstmuseum zu sehen. Sie verbindet auf besondere Weise das fotografische Werk und die aufwühlende Lebensgeschichte der gebürtigen Magdeburgerin.

Von Grit Warnat 11.06.2015, 03:18

Magdeburg l Blickt man in die Gesichter von Susan Buchner und Ernst-Peter Krüger, erkennt man Zufriedenheit, sieht glückliche Züge. Erst Berlin, jetzt Magdeburg. Eine angemessene Ehre für ihre 2009 verstorbene Mutter. "Sie ist nicht in Vergessenheit geraten", freut sich der Sohn. Seine Schwester sagt: "Wir sind uns beide einig, das ist schöner als ein Grabstein."

In Ruhe gehen sie durch die Ausstellung, genießen die 100 Arbeiten aus den Jahren 1934 bis 1944. Es sind Schwarz-Weiß-Fotografien von Familienangehörigen, Porträts von Intellektuellen im Exil, sensible Sozialstudien, Fotos aus dem Alltagsleben und abstrakte fotografische Experimente.

Die beiden Berliner haben erst vor zwei Jahren erfahren, welchen fotografischen Schatz ihre Mutter hinterlassen hat.

"Das ist schöner als ein Grabstein."

Diese Ausstellung verbindet Werk und Leben. Und sie wird von einer besonderen Geschichte getragen. Museumschefin Annegret Laabs spricht von einer späten Heimkehr.

Alles fing in Magdeburg an. Lore, 1914 dort geboren, war ein kleines, glückliches Mädchen, als sie zu ihrem 10. Geburtstag ihre erste Kamera bekam. Sie will Fotografin werden, sie wird es. Die Ausbildung erhält sie in Barcelona, den Feinschliff in Paris bei der Fotografin Florence Henri.

Da war die einst angesehene jüdische Familie auf der Flucht. Für Lore Krüger rastlose, angstvolle Jahre, stets ein Fliehen, ein Kommen und Gehen durch Europa, ein Nie-Ankommen. Dann die Flucht auf einem Frachter, Internierungslager Trinidad, später Neuanfang in New York. Nur knapp sei sie dem Holocaust entgangen, erzählt ihr Sohn.

Seine Großeltern, die Magdeburger Ernst und Irene Heinemann, überleben nicht. Sie hatten Asyl auf Mallorca gefunden, sollten die Insel verlassen. Sie sahen keine Rettung. Sie begingen Selbstmord. Der Abschiedsbrief an Lore ist zu sehen. Zeilen, die die Kehle zuschnüren. C/O-Galerie-Kurator Felix Hoffmann: "Jedes Mal, wenn ich durch die Ausstellung geführt habe, war ich bei diesem Brief tief bewegt."

Lore Krüger kam nach Flucht, Verhaftung, Verfolgung, Exil 1946 zurück nach Ost-Deutschland. Sie arbeitete als Übersetzerin und Lektorin. Wer in der DDR aufwuchs, kennt die von ihr übersetzten Bücher: Robinson Crusoe, Tom Sawyer, Huckleberry Finn oder Joseph Conrad und Doris Lessing.

Und die Fotografie? Susan Buchner und Ernst-Peter Krüger kennen ihre Mutter nur noch als Privatfotografin, natürlich mit dem speziellen Blick fürs Motiv. Sie wollte keine gestellten Fotos, erinnern sich die Kinder. Die Ausstellung zeigt, wie wichtig ihr die Komposition der Bilder war. Und das Licht habe immer passen müssen, sagt Susan Buchner. "Sie hat sich aber nie als Künstlerin gesehen." Trotzdem durfte der kleine Ernst-Peter die Fotos als Kind nicht anfassen. "Sie hat sie gehütet wie einen Schatz."

"Sie hat die Fotos gehütet wie einen Schatz."

Das bestätigt die in Berlin lebende Philologin Irja Krätke, die auf der Suche nach Überlebenden des Holocaust auf Lore Krüger gestoßen war, sie im Sommer 2008 kennenlernte. "Ich erfuhr ihre Geschichte, und dann zeigte sie mir ihre Mappen mit den Fotografien." Auch sie spricht vom Hüten wie einen Augapfel. "Sie hatte schon so viel verloren, sie wollte nicht riskieren, noch mehr zu verlieren." Negative gibt es nicht mehr.

Krätke half, den Schatz zu heben. Sie entwickelte ein Ausstellungskonzept, C/O-Kurator Hoffmann bekam den fotografischen Nachlass 2012 erstmals zu Gesicht. Er befasste sich lange mit den Arbeiten der ihm unbekannten Fotografin, spricht längst von großer Beobachtungsgabe, wunderbar experimentellen Fotografien, großartigen erzählerischen Serien. Und er lobt: Lore Krüger hat Kunst- und Dokumentarfotografie verbunden zu einer Zeit, als entweder dokumentarisch oder künstlerisch gearbeitet wurde.

Ihre Fotos zeigen ihr modernes Werk, ihre Sichten auf die Welt, ihr Leben mit ihren Fluchtpunkten. Für den Sohn ist die Ausstellung sehr aktuell: "Sie musste flüchten und ihr Leben retten. In dieser Zeit sind solche friedlichen, humanistischen Bilder entstanden."