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Nachkriegsspielzeug Mit dem Puppenhaus in den Luftschutzkeller

Eine Sonderausstellung in Nürnberg zeigt fantasievolles Notspielzeug aus
der Nachkriegszeit - Pfeifen aus Patronen und Boote aus Flugzeugtanks.

26.06.2015, 11:44
Eine Puppenstube aus Zündhölzern von 1956 ist am 25.06.2015 im Spielzeugmuseum in Nürnberg (Bayern) während der Ausstellung "Notspielzeug - Die Phantasie der Nachkriegszeit". Die Sonderschau zeigt bis 1. Februar 2016 selbst gemachtes Spielzeug aus den letzten Kriegsjahren und der Nachkriegszeit. Foto: Daniel Karmann/dpa (zu dpa-Korr: "Mit dem Puppenhaus in den Luftschutzkeller - Notspielzeug in Nürnberg" vom 25.06.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Eine Puppenstube aus Zündhölzern von 1956 ist am 25.06.2015 im Spielzeugmuseum in Nürnberg (Bayern) während der Ausstellung "Notspielzeug - Die Phantasie der Nachkriegszeit". Die Sonderschau zeigt bis 1. Februar 2016 selbst gemachtes Spielzeug aus den letzten Kriegsjahren und der Nachkriegszeit. Foto: Daniel Karmann/dpa (zu dpa-Korr: "Mit dem Puppenhaus in den Luftschutzkeller - Notspielzeug in Nürnberg" vom 25.06.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++ dpa

Nürnberg (dpa) l Im Regal stehen Bücher, an der Schranktür hängt ein Spiegel und auf dem Tisch stehen Topf und Teller. Es fehlt an nichts in der kleinen Puppenstube. Gebastelt hat sie Lioba Pilgram 1956 - aus Streichhölzern. Da war sie acht Jahre alt. "Das Schneiden und Zusammenkleben der Zündhölzer war eine mühsame Arbeit, aber ich hatte kleine Hände, viel Zeit und Geduld", schreibt die Zeitzeugin. Zu sehen gibt es die filigrane Puppenstube zusammen mit anderem selbst gemachten Spielzeug aus den letzten Kriegsjahren und der Nachkriegszeit in einer Ausstellung des Spielzeugmuseums Nürnberg ("Notspielzeug. Die Fantasie der Nachkriegszeit" noch bis zum 1. Februar).

Notspielzeug nennen sich diese selbst gebauten Spielsachen, die zwischen 1943 und dem Ende der 50er Jahre in mühevoller Handarbeit entstanden. Auf einen Aufruf des Museums hatten sich 170 Menschen gemeldet, die das Kriegsende als Kind erlebt und ihr Notspielzeug über Jahrzehnte aufbewahrt hatten. Ihre Leihgaben und Schenkungen sind in der Ausstellung zu sehen.

"Schon 1943 durfte in Deutschland per Gesetz kein Spielzeug mehr industriell hergestellt werden", erzählt Museumsleiterin Karin Falkenberg. Der Rüstungsbetrieb ging vor. Doch der Kreativität von Müttern und Vätern, die ihren Kindern etwas zum Spielen bieten wollten, waren keine Grenzen gesetzt: eine Pfeife aus einer Patronenhülse, Puppen aus Lumpen oder ein Flugzeugspiel aus einem Gasmaskenfilter.

Blickfänger der Ausstellung ist ein fast zwei Meter langes Paddelboot, das aus einem verbeulten Flugzeugtank besteht. "Solche Boote waren damals weit verbreitet", erklärt Falkenberg. Fotos zeigen Kinder, die mit den ungewöhnlichen Gefährten auf Pegnitz, Nidda, Mangfall und anderen Flüssen unterwegs waren und damit viel Spaß hatten. Als heimlichen Star der Schau bezeichnet Falkenberg die Teddybär-Dame "Brummhilde". Ihr blau-weißes Kleid wurde aus der geklauten Hose eines US-Soldaten genäht. Solches "organisiertes" Material kam bei Notspielzeug oft zum Einsatz.

Welchen ideellen Wert das selbst gemachte Spielzeug für viele Familien hatte, zeigt ein Puppenhaus, das eine Frau 1944 für ihre Tochter baute. Die Puppenmöbel waren ihr während der Bastelstunden so ans Herz gewachsen, dass sie das Inventar bei jedem Bombenangriff mit in den Luftschutzkeller nahm. Wertvolle Gegenstände blieben dafür in der Wohnung zurück.