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Schlossfestspiele Wernigerode ganz im Stil der großen Diven

Zum 20. Mal locken die Schlossfestspiele nach Wernigerode. Eröffnet wurden sie von der amerikanischen Sängerin Alison Scherzer.

Von Hans Walter 26.07.2015, 19:22

Wernigerode l Das Wernigeröder Schloss im Mittelpunkt aller Aktionen - die beiden "Christiane" prägten in engster Verbindung von Anfang an die Erfolgsgeschichte dieses Musik- und Kunst-Festivals: Musikdirektor Christian Fitzner und Museumschef Dr. Christian Juranek.

Inzwischen haben sich feste Strukturen zwischen First und Last Night ausgeprägt: Opernaufführungen - 2015 gibt es "Martha" von Friedrich von Flotow zu sehen, Kinderprogramme und Wandelkonzerte. Im Jubiläumsjahr ist die große Ausstellung "Positive und organische Reformen. Otto von Bismarck und die Innenpolitik" ab 30. Juli zu sehen. Zusätzlich dazu erwarten die Besucher jedes Jahr noch einigen Überraschungen.

Musikalische Zeitreise

Die Bunte Stadt am Harz singt, klingt - und swingt. Zur "First Night" der 20. Schlossfestspiele erlebten die Konzertbesucher am Sonnabend im Fürstlichen Marstall wegen Regens und Sturms das Philharmonische Kammerorchester Wernigerode in glänzender jazziger Spiellaune. Allen vorweg die aus den USA stammende junge Koloratur-Sopranistin Alison Scherzer und der in Bosnien-Herzogewina geborene Goran Stevanovic (Akkordeon und Bandoneon).

Es ist das Schöne an 20 Jahren Schlossfestspiel-Geschichte, dass damit langwährende Kontakte zu jungen Sängern begründet wurden. Sie kommen mit Freude immer wieder nach Wernigerode, auch nachdem sie in große Karrieren - oft an internationalen Opernhäusern oder im oratorischen Bereich - starteten.

Ein aufregender Abend. Scherze - die spielfreudige, gesanglich glänzende Zerlina in Max Ponaders Aufsehen erregender Inszenierung des "Don Giovanni" von 2013 - hatte die Idee zu diesem außergewöhnlichen Konzert. Keine Sinfonik, stattdessen unter Fitzners Leitung eine kleinteilige Brücke vom Europa der 1920er Jahre bis zum heutigen Amerika in Form von Liedern, Chansons und Tonfilmschlagern.

Es waren Titel der großen Diven wie Marlene Dietrich, Zarah Leander und Edith Piaf, die sich Alison Scherzer ausgewählt hatte. Ein Herzenswunsch ging damit in Erfüllung, ihre gesangliche Spannbreite mit dem Orchester an einem einmaligen vergänglichen Abend zu zeigen. Sie sang mehrsprachig auf Deutsch, Französisch und Englisch die Lieder von Kurt Weill, Friedrich Hollaender, Michael Jary, Francis Poulenc, Joseph Kosma, der Piaf und die amerikanischen Cabaret-Songs der Zeitgenossen William Bolcom und Jerome Kern.

Eine Reise durch die Gefühlswelten von urkomisch bis tieftraurig. Zu den absoluten Glanzpunkten gehörten ihre Interpretationen von "L`Accordeoniste" mit Goran Stevanovic, "La vie en rose" (Piaf), auf die letzten lausigen Momente der Liebe (Bolcom), "Roter Mohn" (Jary) und "Youkali" aus Weills Oper "Marie Galante".

Internationale Noten-Suche

Fitzner arbeitete mit dem Orchester intensiv-entspannt. Ganz unterschiedlich in den Besetzungen. Von ganz groß bis zum Kammermusik-Quintett. Allein um an das Notenmaterial zu kommen, waren weltweite Korrespondenzen nötig.

Die zweite tragende Säule im erlesenen Programm waren die aufregend schönen Titel von Astor Piazolla mit Goran Stevanovic. Er wirkte mit seinen Interpretationen wie eine junge Ausgabe des weltberühmten Akkordeonisten Richard Galliano. Die expressive Solo-Violine von Krzysztof Baranowski trat hinzu. Die Orchester-Arrangements hatte ihnen Solo-Bassist Andreas Nettels geschrieben - ein Künstler der sensiblen Töne.

Höhepunkte waren Piazollas "Escualo" (Hai), "Milonga del Angel" (Tanz des Engels) und "Oblivion" (Vergessenheit). Und Mozarts Adagio und Rondo für Glasharmonika, Flöte, Oboe, Viola und Cello. Stevanovic war hier der Primus inter pares. Seine Finger sprachen, hauchten, flüsterten, schrien.

Ein wundervolles Erlebnis mit der Weltsprache Musik! Bravorufe, rhythmisches Klatschen der Zuhörer und drei Zugaben.