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Valery Oistrach und Schönebecker Orchester Eine Geschichte der Wiener Klassik

12.04.2011, 04:32

Von Liane Bornholdt

Magdeburg. Seinen ersten Geigenunterricht bekam er beim Großvater, und das war kein Geringerer als David Oistrach, der seinerzeit vielleicht weltbeste Geiger. Enkelsohn Valery führt nach Vater Igor die Geigertradition nun in dritter Generation fort. Und sie alle waren bereits Gäste in Magdeburg. Legendär etwa der Auftritt von David und Igor Ende der 1960er Jahre in der Magdeburger Stadthalle mit Bachs berühmtem Doppelkonzert.

In jüngerer Zeit gastierte Igor Oistrach mehrmals mit der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie, unter anderem mit Mendelssohns e-Moll-Violinkonzert. Kein Wunder also, dass allein der Name Oistrach auch jetzt wieder für ausverkaufte Säle sorgte. Dreimal, in Schönebeck, Staßfurt und am Sonntag im Gartensaal des Magdeburger Gesellschaftshauses, war Valery Oistrach der Konzertsolist der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie unter dem Gastdirigenten Wolfgang Rögner.

Anders jedoch als Großvater und Vater trat der Enkel bisher nicht so sehr als großer Konzertsolist international in Erscheinung, obgleich er auch mit großen Orchestern weltweit konzertiert. Seine Stärke und besondere Begabung ist die Kammermusik. Bei dem Programm, das "Heiter - Classisch" erklang, hatte der Solist auch Gelegenheit, diese besondere Vorliebe zu zeigen.

Zunächst begann das Orchester mit einer wirklich heiteren kleinen Sinfonie von Michael Haydn, die der besonderen Begabung der Kammerphilharmonie auch entgegenkommt, nämlich den Tonfall zu finden, der genau den Charme und die Leichtigkeit der Wiener Klassik trifft, ohne die musikalischen Besonderheiten im Unterhaltsamen untergehen zu lassen. Rögner spielte dynamisch und sehr schön frisch, aber niemals zu flott, so dass etwa das empfindsame Adagietto mitsamt seinem frechen Fagott-Solo ebenso zum Klingen kam, wie die kunstvolle Fuge des Finalsatzes.

An zweiter Stelle erklang Mozarts Violinkonzert Nr. 4 D-Dur KV 218. Der Solist begann sehr zart, und er blieb auch in den beiden Anfangssätzen eher zurückhaltend. Auch die Solokadenzen legte er als kleine Virtuosenausflüge an, mehr vergnüglich als Spannung steigernd. Auffallend die tonliche Variabilität des Geigers, wobei die tiefen Lagen besonders schön klangen. Valery Oistrach spielte das Mozart-Konzert eben als Kammermusik, nicht als großes Virtuosenstück, und dies kommt dem Übergangscharakter dieses Werkes entgegen, in dem Mozart den Ritornellcharakter der barocken Violinkonzerte auflöst. Im Finalsatz aber kam dann auch das Solospiel zu vollem Glanz einschließlich einer hier wirklich auch spannend und lustvoll gespielten Solokadenz.

Nach der Pause bezauberte der Solist das Publikum mit Beethovens Violinromanze F-Dur, die ohne Fehl und Tadel erklang, aber richtig gut war das Spiel des Violinisten bei der Zugabe, einem Partitensatz für Violine Solo von Johann Sebastian Bach. Virtuose Geigenkunst verband sich hier mit tiefem Verständnis für das Stück.

Von den Anfängen der Wiener Klassik führte das Konzert schließlich mit Franz Schuberts 5. Sinfonie bereits zu deren Reife und ersten Übergängen zur romantischen Musikwelt. Die Kammerphilharmonie musizierte wunderbar, kraft- und stimmungsvoll und mit gut durchdachter Dynamik. Rögner legte sehr viel Wert auf plastische und leuchtende Klangfarben, sehr differenzierten Streicherklang oder glänzende Flötentöne. Ein gelungenes, vor allem ein sehr interessantes Konzert.